Montag, 17. April 2023

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen das KlimaschutzGesetz

 

Warum wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das KlimaschutzGesetz unterstützen

Für uns, für alle, für den Planeten: Wir sind heute schon von den Klimaschäden betroffen,

und diese werden sich verstärken. Mit dem Klimaschutz-Gesetz reduzieren wir die Risiken,

leisten unseren Beitrag und erhöhen gleichzeitig die Energiesicherheit.

Jede Tonne zählt, jedes Jahr zählt: Die Schweiz muss ihre CO2-Emissionen schneller

reduzieren und spätestens 2050 auf Netto-Null bringen.

Verbindliche Ziele nützen der Schweiz: Klima- und Energiepolitik erfordern klare politische

Rahmenbedingungen. Das breit abgestützte Klimaschutz-Gesetz legt den Absenkpfad für

Netto-Null fest, fördert Innovation, schafft Planungssicherheit und stärkt die Schweiz.

Die Wissenschaft zeigt eindeutig: Die Schweiz ist schon heute stark vom Klimawandel

betroffen. Um ihren Beitrag zu den Klimazielen von Paris zu leisten, muss sie ihre CO2-

Emissionen massiv reduzieren und spätestens 2050 auf Netto-Null bringen. Wir müssen

jetzt handeln. Das breit abgestützte Klimaschutz-Gesetz (indirekter Gegenvorschlag zur

Gletscher-Initiative) legt den Absenkpfad für Netto-Null fest, erhöht die Energiesicherheit,

fördert Innovation und stärkt die Schweiz. Deshalb sagen wir Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftler JA zum Klimaschutz-Gesetz.

Der Klimawandel ist hier und jetzt, und die Gesellschaft ist heute schon stark von den

Auswirkungen betroffen. Wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind besorgt über

diese Entwicklungen und setzen uns dafür ein, dass klimapolitische Entscheide basierend auf

den besten verfügbaren Informationen gefällt werden [1].

Die Klimaveränderungen und Auswirkungen sind klar

Durch die Verbrennung von fossilen Brenn- und Treibstoffen sowie Landnutzung hat der

Mensch die CO2-Konzentration in der Luft seit der Industrialisierung um über 50 Prozent

erhöht. Vergleichbare Werte liegen mehrere Millionen Jahre zurück. Die Schweiz hat sich

gegenüber vorindustriellen Werten um etwa 2.5°C erwärmt. Die direkten klimatischen

Folgen führen dazu, dass Hitzewellen, Starkniederschläge und Dürren zunehmen, die

Schneebedeckung abnimmt und sich das Abschmelzen der Gletscher beschleunigt [2]. Dies

hat grosse Auswirkungen auf die Landwirtschaft, Energieversorgung, Gesundheit,

Arbeitsproduktivität, Tourismus, Wasserhaushalt, Wald und Biodiversität. Und besonders

wichtig: All diese Effekte werden sich in der Zukunft noch verstärken [3].

Als kleines aber international stark vernetztes Land ist die Schweiz sowohl für den globalen

Wandel mitverantwortlich, als auch von den Auswirkungen ausserhalb ihrer Grenzen

betroffen: Unter anderem durch den Druck auf die globale Nahrungsmittelproduktion,

extreme Wetterereignisse, die schwerwiegenden Auswirkungen in Entwicklungsländern und

den dadurch ausgelösten Migrationsdruck sowie mögliche Kipppunkte im Klima- und in

Ökosystemen [4]. Neben direkten klimatischen Risiken gibt es indirekte wirtschaftliche

Risiken durch abzuschreibende Investitionen, Anpassungsdruck im Markt, Regulierung,

Klagen oder öffentlichen Druck.

Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie gefährlich unsere direkte Abhängigkeit von fossilen

Energieträgern ist. Mit der Reduktion des fossilen Energiebedarfs und dem Umbau unseres

Energiesystems (Elektrifizierung, Ausbau Erneuerbare, Steigerung der Effizienz, Suffizienz)

stärken wir die Energiesicherheit [5].

Ziel Netto-Null CO2

Die Schweiz hat das UNO Klima-Abkommen von Paris ratifiziert. Dieses will die

menschengemachte globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen

Werten begrenzen. Eine Obergrenze der Erwärmung von 1.5°C wird angestrebt – dies würde

die Risiken und Folgen des zukünftigen Klimawandels deutlich vermindern, auch in und für

die Schweiz [6]. Um die 1.5°C Limite nicht zu überschreiten, müssen wir die CO2-Emissionen

weltweit bis 2030 halbieren und bis 2050 Netto-Null erreichen (beste Einschätzung). Das

Klimaschutz-Gesetz übernimmt dieses Netto-Null-Ziel. Die Schweiz hat ihre InlandEmissionen in 30 Jahren (1990-2020) um 19% reduziert; in weniger als 30 Jahren müssen die

Netto-Emissionen bei null sein. Das bedeutet eine praktisch vollständige Abkehr von fossilen

Brenn- und Treibstoffen vor 2050. Schwer vermeidbare Rest-Emissionen, z.B. aus der

Landwirtschaft, müssten durch künstliche Senken ausgeglichen werden. Das KlimaschutzGesetz verpflichtet Bund und Kantone, die nötigen Senken im In- oder Ausland

bereitzustellen. Diese Technologien müssen weiterentwickelt werden, aber ihr Beitrag ist bis

auf weiteres klein und sie sind teuer. Der entscheidende Beitrag zum Netto-Null Ziel muss

damit hauptsächlich (ca. 90 Prozent) durch die Vermeidung von Emissionen geschehen.

Rasches Handeln ist unerlässlich. Jede ausgestossene Tonne CO2 erhöht die Risiken für

Klimaschäden, verkleinert den Spielraum für zukünftige Entscheide und trägt dazu bei, dass

später mehr künstliche Senken nötig werden.

Die Rolle der Schweiz

Das Abkommen von Paris hebt das Prinzip der «gemeinsamen aber differenzierten

Verantwortung» des UN-Rahmenabkommens zum Klimawandel von 1992 (UNFCCC) hervor.

Jedes Land, ob gross oder klein, muss beitragen, und wer mehr zur Lösung beitragen kann,

der soll dies auch tun. Die Schweiz setzt als eines der wohlhabendsten und technisch

fortgeschrittensten Länder durch ambitionierte und konsequent verfolgte Ziele wichtige

Signale für den weltweiten Klimaschutz. Der hohe und steigende Anteil an importierten

konsumbasierten Emissionen [7] und die Möglichkeiten der Schweiz würden im Sinne der

Prinzipien von Paris sogar ein früheres Netto-Null Ziel rechtfertigen.

Die Ablehnung der Totalrevision des CO2-Gesetzes im Juni 2021 hat die Schweizer

Klimapolitik geschwächt. Während unsere Nachbarn und die USA grosse

Infrastrukturprogramme und Finanzierungspakete zur Klima- und Energiepolitik umsetzen,

ist die Schweiz in den Ranglisten zum Klimaschutz hinter die Europäische Union

zurückgefallen [8]. Mit einer griffigen Klimapolitik steht die Schweiz zu ihrem Versprechen,

zusammen mit allen Ländern das Ziel des Pariser Klimaabkommens umzusetzen und

gleichzeitig ihre internationale Konkurrenzfähigkeit beizubehalten.

Das Klimaschutz-Gesetz als wichtiger Schritt

Die Welt wie die Schweiz sind bezüglich der Pariser Klimaziele nicht auf Kurs: Mit den

heutigen weltweiten Massnahmen steuern wir bis 2100 auf eine Erwärmung von global

knapp 3°C hin [9]. Die Schweiz muss ihre klimapolitischen Anstrengungen damit deutlich

verstärken und ihre Verantwortung wahrnehmen.

Nachhaltige Entwicklung, Kreislaufwirtschaft sowie griffige Klima- und Energiepolitik

erfordern klare politische Rahmenbedingungen. Ein stabiler politischer Rahmen fördert die

Vermeidung von Emissionen und beschleunigt die Umsetzung des Klimaschutzes [10].

Innovationspolitische Massnahmenpakete haben dazu beigetragen, dass die Kosten vieler

emissionsarmer Technologien seit 2010 kontinuierlich gesunken sind. Die Wirksamkeit von

verschiedenen klima- und energiepolitischen Instrumenten wurde von den Schweizer

Akademien der Wissenschaft ausführlich dokumentiert [11].

Das Klimaschutz-Gesetz verankert das Ziel Netto-Null 2050 für die Schweiz, setzt

verbindliche Zwischenziele und Richtwerte für die Gebäude, Industrie und Verkehr, fördert

Innovation und mit einem Impulsprogramm den Heizungsersatz. Dies wird noch nicht

ausreichen, um die in Paris vereinbarten Ziele zu erreichen. Trotzdem ist es ein

entscheidender Schritt, da er der Wirtschaft und Bevölkerung einen klaren Rahmen setzt,

innerhalb dessen sich die besten Lösungen durchsetzen und umgesetzt werden. Die

Wirtschaft erhält damit Verbindlichkeit und Planungssicherheit, die Wettbewerbsfähigkeit

der Schweizer Unternehmen wird unterstützt. In vielen Bereichen setzt das KlimaschutzGesetz den Weg fort, den die international tätigen Schweizer Firmen heute schon erfolgreich

gehen [12].

Wirksame Instrumente für ein ambitioniertes und erreichbares Klimaziel sind auch

ökonomisch sinnvoll und zukunftsweisend: Die Investitionen sind tragbar und vorteilhaft in

Bezug auf vermiedene Schäden durch den Klimawandel und den Nutzen von saubererer Luft,

Biodiversität, Innovation und den Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung [13]. Die grosse

Mehrheit der führenden Ökonominnen und Ökonomen, die diese Fragen untersucht haben,

ist heute der Ansicht, dass «sofortige und drastische Massnahmen nötig sind», und dass der

Nutzen von ambitioniertem Klimaschutz überwiegt [14].

Die Dringlichkeit rechtfertigt entschiedenes Handeln. Das Klimaschutz-Gesetz ist

ausgewogen: Es stellt die Weichen für eine klimaneutrale Zukunft, setzt verbindliche Ziele,

stärkt die Energiesicherheit der Schweiz und findet in der Politik, Wirtschaft und Verbänden

breite Unterstützung.

Für den Planeten und eine gemeinsame Zukunft, für eine innovative, starke Schweiz –

deshalb sagen auch wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler klar JA.

12. April 2023, Kontakt: Reto Knutti, ETH Zürich, reto.knutti@env.ethz.ch

[1] Scientists for Future, GAIA, 2019

[2] Klimaszenarien für die Schweiz CH2018

[3] Brennpunkt Klima Schweiz; Hydrologische Szenarien Hydro-CH2018

[4] IPCC Berichte: IPCC Working Group 2, Global Warming of 1.5°C, Climate Change and

Land, The Ocean and Cryosphere in a Changing Climate

[5] IPCC Special Report Global Warming of 1.5°C, Klimaszenarien für die Schweiz CH2018

[6] IEA World Energy Outlook 2022, ETH CSS Policy Perspective

[7] Umwelt-Fussabdrücke der Schweiz, BAFU, 2018

[8] Climate Change Performance Index

[9] Climate Action Tracker

[10] IPCC Working Group 3

[11] Klima- und Energiepolitik, Häufige Fragen – Antworten aus der Wissenschaft, SCNAT,

2018; Instrumente für eine wirksame und effiziente Klima- und Energiepolitik, SCNAT, 2019;

Chancen und Auswirkungen einer CO2-Lenkungsabgabe auf Treibstoffe, SCNAT, 2019;

Fortschritte und Defizite des revidierten CO2-Gesetzes, SCNAT 2020

[12] PWC

[13] Hänsel et al., Nature Climate Change, 2020, Swiss Banking/BCG

[14] Gauging Economic Consensus on Climate Change, New York University School of Law,

2021