CO2-Gruppengespräche
Aufmerksam zuhören: Marianne (2. von rechts) und René Jaccard (Bildmitte) an einem Klimagespräch. (Foto: zvg)
Kursangebot
Die Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer wollen das Leben auf ökologischen Kurs bringen und lancieren die Klimagespräche.
09. Februar 2020
von Delf BucherDass sich die Erde immer stärker erwärmt, der Meeresspiegel steigt und die Gletscher schmelzen: Diese Botschaft ist bei den Schweizerinnen und Schweizern angekommen. So
rangiert die Angst vor dem Klimawandel auf dem vierten Platz im Sorgenbarometer. Gleichzeitig verzeichnet beispielsweise die Fluggesellschaft Swiss ein Rekordjahr. Zwischen Klima-Angst und ökologischem Handeln klafft eine Lücke.
Die Lücke schliessen
Die Kluft wollten die Psychotherapeutin Rosemary Randall und der Ingenieur Andy Brown überwinden. Die Briten entwickelten CO2-Gruppengespräche. Dabei
nehmen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren individuellen CO2-Ausstoss unter die Lupe und üben mit der Unterstützung der Gruppe einen klimaschonenden Lebensstil ein. Seit Anfang Jahr werden die Klimagespräche auch in der Deutschschweiz von den Hilfswerken Brot für alle und Fastenopfer für eine breite Öffentlichkeit angeboten. In Zürich starteten sie Mitte Januar.
René und Marianne Jaccard moderieren bis Mai sechs Gespräche mit einer Gruppe von acht Leuten. Die beiden Jaccards sind eine Idealbesetzung: Er ist Mediziner mit dem naturwissenschaftlichen Blick, sie Psychologin, die die inneren Prozesse wie Ängste und Konflikte thematisiert, die beim Verändern des Lebensstils auftreten können. Die beiden engagieren sich selbst bereits im Verein «Klima-Grosseltern Schweiz», der sich insbesondere für die Klimagerechtigkeit zwischen den Generationen einsetzt.
Klimagerechtigkeit für die Jungen
«Unsere Generation war und ist zu lange sorglos und unbedarft unterwegs gewesen», sagt Marianne Jaccard. Die Hinterlassenschaften der menschengemachten Erderwärmung gehen sie schon allein wegen der «intergenerationellen Klimagerechtigkeit» mit anderen Menschen an, die ebenfalls ihren persönlichen CO2-Ausstoss reduzieren wollen.Bringt reden überhaupt etwas? Wissen nicht längst alle, dass weniger Fleisch auf dem Speiseplan oder Duschen statt Baden weniger Treibhausgase freisetzt? «Ich war selber überrascht, wie ich mein Alltagsverhalten weiter optimieren konnte», sagt René Jaccard. Mit seiner Frau hatte er im vergangenen Jahr die sechs Einheiten eines Klimagesprächs in einer Gruppe von acht Leuten unter der Leitung von zwei Moderatoren absolviert.
Ziel ist es, den Schweizer Durchschnitt an durch Konsum und Mobilität verursachtem Ausstoss von Treibhausgasen deutlich zu unter- bieten, der bei rund 14 Tonnen CO2- Äquivalenten liegt. Besonders hilf- reich sei das akribische Erfassen der zurückgelegten Auto- und Bahnkilometer sowie des Strom- und Wasserverbrauchs gewesen. «Anfangs war ich wegen des vielen Messens etwas skeptisch», sagt René Jaccard.
Die Freude am Entdecken
Mittlerweile entdeckten die beiden ein beträchtliches Sparpotenzial in ihrem Alltag. «Wir sind in einem ständigen Lernprozess, versuchen, achtsam und kreativ neue Wege zu gehen, sei es beim Essen, Reisen, Konsumieren», sagt Marianne Jaccard. Sie betont zugleich, dass der neue Lebensstil mit dem Entdecken und dem Sichfreuen «an den kleinen Dingen des Lebens» einhergehe. Und ihr Mann ergänzt: «Veränderungen zu wagen, das hat etwas Befreiendes und Lebendiges.»In sechs Gruppen-Workshops, die jeweils zwei Stunden dauern, werden die Bereiche Wohnen, Mobilität, Ernährung und Konsum so- wie deren Folgen fürs Klima durch- leuchtet und Ansätze gesucht, den eigenen CO2-Ausstoss klar zu verringern. Aber was bringt die Anstrengung des Einzelnen bei einer Krise dieses Ausmasses? Von der fatalistischen Fangfrage lässt sich René Jaccard nicht beirren: «Nur wenn viele Menschen mitmachen, werden Politik und Wirtschaft zum Handeln gezwungen.»
Erfolgreich gestartet
Bereits die Pilotphase der neu lancierten Klimagespräche von Brot für alle und Fastenopfer erweisen sih als ein Erfolg. Beinahe alle Kurse sind ausgebucht und viele Interessierte haben sich schon auf einer Warteliste eingetragen. Pascal Schnyder von BfA wirbt deshalb dafür, dass sich viele der jetzigen Teilnehmenden zu Moderatoren ausbilden lassen. «Wir hoffen, dass sich die Klimagespräche im Schneeballsystem über die ganze Schweiz ausbreiten.» Interessenten können sich jetzt schon auf dem Internet in eine Warteliste eintragen.www.sehen-und-handeln.ch