Samstag, 1. August 2020

Finanzplatz: Schweiz auf dem Weg zum fossilen Klima-Schlusslicht?

Klima-Allianz Schweiz:

Bern, 26. Juni 2020. Mit dem heute veröffentlichten Bericht “Nachhaltigkeit im Finanzsektor Schweiz” setzt der Bundesrat nach wie vor auf Freiwilligkeit. Während die EU bei der klimaverträglichen Umlenkung der Finanzanlagen durch Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter und Pensionskassen mit wirksamen Vorschriften vorangeht, verengt die Schweiz den Fokus auf die Transparenz und die Verfügbarkeit vergleichbarer Informationen für die Marktteilnehmer. Damit vergibt sich der Bundesrat, dass der Finanzsektor seinen essentiellen Beitrag zur Erreichung der globalen Klimaziele leistet.

Heute um 10 Uhr hat Bundesrat Maurer zur Pressekonferenz gebeten. Die Finanzbranche habe bereits selbst Massnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit ihrer Aktivitäten ergriffen, folgert der Bundesrat aus dem Bericht der verwaltungsinternen Arbeitsgruppe. Ueli Maurer betont in seiner Stellungnahme die Nähe zwischen der Regierung und der Finanzbranche, wie dies wohl in keinem anderen Land der Fall sei. Er unterstreicht dies, indem er an der Medienkonferenz die Frage, welcher Pfad der globalen Erwärmung durch die Strategie des Bundesrats unterstützt wird, kommentarlos an die Finanzbranche weiterleitet. Die Klima-Allianz kommt zu einem anderen Schluss. Jetzt muss der Staat klare Signale geben, wie eine Paris-konforme Umlenkung erreicht wird.

Die EU ist der Schweiz voraus: In Kürze müssen Banken, Pensionskassen und die weiteren Finanzakteure ihre Strategien zur grünen Ausrichtung ihrer Investitionen offenlegen. Mit diesem Schritt wird die Finanzwirtschaft verpflichtet, die sich abzeichnenden Wertverluste auf den Investitionen in Unternehmen der fossilen Wirtschaft zu vermeiden. Des Weiteren verlangt die EU explizit die Verminderung der negativen Wirkungen ihrer Investitionen auf Klima, Umwelt und soziale Gerechtigkeit.

«In der EU ist das passive Abwarten, ob sich eine Publikumsnachfrage nach der Berücksichtigung von Klimarisiken von selbst einstellt, Vergangenheit», sagt Christian Lüthi, Geschäftsleiter der Klima-Allianz: «Bundesrat und Politik müssen endlich die Tatsache anerkennen, dass der Finanzplatz der grösste Hebel der Schweiz zur Verhinderung einer katastrophalen Klimaerhitzung von mehr als 1.5 Grad ist.»

Die Klima-Allianz fordert Bundesrat und Politik auf, die Bestimmungen der EU zum verbesserten Management von klimabedingten Finanzrisiken sowie zur Umlenkung der Finanzflüsse sofort und vollständig ins Schweizer Recht zu übernehmen. An die Stelle des bisherigen Laissez-Faire muss die aktive Steuerung mit zielführenden Massnahmen treten. Die Schweiz kann nur dann eine Vorreiterin im Bereich Sustainable Finance sein, wenn die Umweltwirkung der Finanzflüsse ins Zentrum gestellt wird.

Für Rückfragen:


Christian Lüthi, Geschäftsleiter, Klima-Allianz, Tel. +41 76 580 44 99 ,
christian.luethi@klima-allianz.ch


Forderungen der Klima-Allianz

Die Klima-Allianz erwartet, dass die vom Bund eingesetzte Arbeitsgruppe die nachfolgenden Forderungen in ihre anstehenden Arbeiten einbezieht.

Die Äquivalenz des schweizerischen Finanzplatzes zur EU ist mit gesetzlichen Offenlegungspflichten des Bundes herzustellen. Diese müssen die klimabedingten finanziellen Risiken darstellen.


Die Transparenz muss wie in der EU auf der Erkenntnis basieren, dass die treuhänderische Sorgfaltspflicht der Finanzakteure die Berücksichtigung der Nachhaltigkeits- und Klimarisiken einschliesst. Durch gesetzliche Bestimmungen ist Rechtssicherheit herzustellen.

In Äquivalenz zur EU sollten diese für die folgenden Akteure des Finanzdienstleistungssektors gelten:




Finanzmarktteilnehmer


Banken (als Vermögensverwalter, Verwalter von Kollektivvermögen, Fondsanbieter)

Versicherungen (Privatversicherungen, inklusive Einrichtungen der privaten Vorsorge)

Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (Pensionskassen und Versicherungen mit Einrichtungen der beruflichen Vorsorge)

Suva

AHV-Ausgleichsfonds (Compenswiss)

Stilllegungs- und Entsorgungsfonds für Kernkraftwerke




Finanzberater (natürliche und juristische Personen):

Anlageberater (Investment Consultants)

Kundenberater

Investment Controller wie Asset Liquidity Management (ALM) Consultants in der beruflichen Vorsorge




Diese Finanzakteure müssen auf ihren Websites publizieren:




ihre Strategien zur Einbeziehung von finanziellen Nachhaltigkeits- und Klimarisiken in ihre Investitionsentscheidungsprozesse bzw. Beratungsprozesse,

ihre Identifikation und Beschreibung der massgebenden finanziellen Nachhaltigkeits- und Klimarisiken.




Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte und -dienstleistungen anbieten










(Vermögensverwaltung, Kollektivanlagen/Fonds), müssen die Nachhaltigkeits- und Klimarisiken identifizieren und beschreiben, indem sie die zu erwartenden Auswirkungen auf die Rendite ihrer Finanzprodukte und -dienstleistungen aufzeigen.




Obenstehende Forderungen sind äquivalent zur Verordnung EU 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.

Hintergrundinformationen

Die Politik des Bundesrates

Die Schweiz soll ein führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen sein (26.06.2020)


Die neuen Regulierungen der EU


REGULATION (EU) 2019/2088 OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL of 27 November 2019 on sustainability‐related disclosures in the financial services sector:

Financial market participants shall publish on their websites information about their policies on the integration of sustainability risks in their investment decision‐making process.

Financial advisers shall publish on their websites information about their policies on the integration of sustainability risks in their investment advice or insurance advice.

Financial market participants shall include:

(a
information about their policies on the identification and prioritisation of principal adverse sustainability impacts and indicators;

a description of the principal adverse sustainability impacts and of any actions in relation thereto taken or, where relevant, planned;

a reference to their adherence to responsible business conduct codes and internationally recognised standards for due diligence and reporting and, where relevant, the degree of their alignment with the objectives of the Paris Agreement.


Die Klimahebel des Finanzplatzes


Der grösste Hebel, mit dem die Schweiz einen Einfluss auf das Klima hat, ist das Geld (Klima-Allianz Website).


Die vom Schweizer Finanzplatz gesteuerten Aktivitäten verursachen ein Zwanzigfaches der einheimischen «territorialen» Treibhausgas-Emissionen – oder über 2% der weltweiten Emissionen. Nachweis dazu: hier

Klimaverträglichkeitsanalyse von Schweizer Pensionskassen- und Versicherungsportfolien, BAFU (2017)

Die Tests zeigen, dass die heutigen Investitionen eine Erwärmung von 4-6 Grad Celsius unterstützen.