Samstag, 15. August 2020

Australien: Morrision will sich nicht auf "unbesonnene Klimaziele" einlassen und heimische Industrien aufgeben, ...

 

Verrat an der Bevölkerung Von Kurt Stukenberg 05.01.2020, spiegelnde 

Jung gegen Alt - das ist nicht die entscheidende Konfliktlinie in der Klimakrise. Der wahre Gegensatz tut sich auf zwischen den Interessen der fossilen Industrie und dem Schutz von Menschen.

Nirgendwo wird das deutlicher als in Australien. Dreizehn Tage ist es her, seit sich Scott Morrison öffentlich dazu entschieden hat, das Wohl der heimischen Kohleindustrie vor den Schutz der Bevölkerung zu stellen.

"Wir werden uns nicht auf unbesonnene Klimaziele einlassen und heimische Industrien aufgeben, wodurch australische Arbeitsplätze gefährdet würden", schrieb der Premierminister Australiens in einem Zeitungsbeitrag kurz vor Weihnachten. Ende vergangener Woche bekräftige er seine Haltung noch einmal. Dies ist ein bemerkenswert offenherziger Verrat eines Regierungschefs, dem Schutz von Leib und Leben seiner Landsleute wichtiger sein sollte als alles andere.

Seit Oktober wüten in Australien gewaltige Buschbrände. In den besonders betroffenen Staaten New South Wales und Victoria sind rund 140000 Menschen von den Feuern bedroht, Behörden riefen den Notstand aus. 3000 Reservisten des Militärs wurden zu Hilfe gerufen - eine Mobilmachung, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Eine Fläche so groß wie die Schweiz ist betroffen, Feuerwehrleute sind angesichts der schieren Dimension des Infernos hilflos, mindestens 23 Menschen und nach Angaben von Wissenschaftlern rund eine halbe Milliarde Tiere verloren ihr Leben. Und die Flammen wüten weiter.

Die Industrie, für die Morrison offenbar bereit ist, erhebliche Teile seines Landes dem Feuer zu überlassen, ist die Kohlebranche. Australien gehört neben Indonesien zum weltgrößten Exporteur des Rohstoffs und bezieht selbst drei Viertel seiner Elektrizität aus der Kohleverstromung. Paradoxerweise ist es eben jene Kohle, deren Verfeuerung wie kein zweiter Stoff zur Eskalation der Klimakrise beiträgt und als Brandbeschleuniger für Katastrophen wie der in Australien wirkt (mehr zum Zusammenhang zwischen den Buschbränden und der Klimakrise erfahren Sie hier).

Seit die Jugendbewegung Fridays for Future im vergangenen Jahr zu einer bestimmenden politischen Kraft geworden ist, wurde die Klimakrise oft als Generationenkonflikt diskutiert. Zu Recht werfen junge Menschen den Älteren vor, in der Atmosphäre kaum noch Platz gelassen zu haben für weitere Kohlendioxidemissionen - die Schüler von heute sind deshalb, anders als ihre Eltern, zu einem Leben in CO2-Askese verdammt, wenn sie die Erderwärmung noch halbwegs beherrschbar halten wollen. Doch der eigentliche Frontverlauf muss zwischen der fossilen Industrie und dem Rest der Welt gezogen werden.

Jeder Preis ist recht

Eine kleine Gruppe in den Führungsetagen der Kohle-, Öl-, und Gaskonzerne bereichert sich an der fortwährenden Zerstörung des Planeten, während die Mehrheit der Menschen die Folgen zu ertragen hat. Auch seit dem Klimaschutzabkommen von Paris steigen die weltweiten Emissionen weiter an, während die Wissenschaft immer dringender zur Mäßigung mahnt. Doch statt die Kehrtwende zumindest anzustreben, macht sich die fossile Industrie - unterstützt von willigen Teilen der Politik - daran, die CO2-Emissionen in Zukunft sogar noch zu steigern.

Im Sommer rechneten Klimaschützer vor, weltweit seien derzeit neue Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 579 Gigawatt in Planung oder im Bau - würden sie realisiert, stiege die Kohleleistung global um 29 Prozent an. Gleichzeitig mahnt der Weltklimarat, bis 2030 müsste ein Großteil aller Kohlekraftwerke stillgelegt werden, um die Erwärmung des Planeten, wie in Paris verabredet, zu bremsen. Niemand kann mehr behaupten, die Konsequenzen dieser Geschäftspolitik nicht zu kennen. Vielmehr sind wir Zeuge einer Industrie, der im Endspiel um ihre Zukunft nahezu jeder Preis recht ist.

In diesem Kampf hat sich Scott Morrison für eine Seite entschieden: Für die Kohle - und gegen sein Land. Dabei ist Australien auch unabhängig von den Buschbränden längst zu einem Frontstaat der Klimakrise geworden: Das einzigartige Great Barrier Reef liegt seit spätestens 2016 akut im Sterben. Gestiegene Wassertemperaturen machen dem Ökosystem zu schaffen. Im August fürchtete die Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA) gar, es könnte seinen Status als Weltkulturerbe verlieren.

Das Great Barrier Reef liegt im Sterben, doch die Morrison-Regierung will die Kohleförderung ausbauen

In einem Regierungsbericht wurde der Zustand erstmals von"schlecht" auf "sehr schlecht" herabgestuft. "Der Bericht macht auf die Tatsache aufmerksam, dass die Aussichten für das Great Barrier Reef langfristig sehr schlecht sind - das ist hauptsächlich auf den Klimawandel zurückzuführen", sagte David Wachenfeld, Chief Scientists von GBRMPA. Doch die Morrison-Regierung plant nun auch noch eine gigantische Kohlemine im Hinterland und will den Bau des weltgrößten Kohlehafens Abbot Point direkt am Riff vorantreiben. Parallel haben zahlreiche Regionen des Landes mit extremer Trockenheit zu kämpfen, im Dezember erlebte Australien den heißesten Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht, denn inzwischen ist die australische Politik fest in den Händen der fossilen Industrie. Erst 2018 musste Premierminister Malcom Turnbull nach nur drei Jahren Amtszeit zurücktreten, eine entscheidende Rolle spielte dabei sein Vorhaben, so etwas wie Klimapolitik zu versuchen. Turnbull wollte den CO2-Ausstoß des Stromsektors bis 2030 um 26 Prozent gegenüber 2005 senken. Ein fast lächerlich unambitioniertes Ziel, das sogar das sonst übliche Basisjahr 1990 für die Berechnung von Klimaschutzzielen einfach umging. Doch der konservative Teil seiner Partei verweigerte ihm die Zustimmung. Schärfster innerparteilicher Gegner war der frühere Premier Tony Abott, ein notorischer Klimaleugner, der erst am Freitag wieder für Aufsehen sorgte, als er gegenüber einem israelischen Radiosender zum Besten gab, die vom Menschen verursachten CO2-Emissionen könnten keinesfalls der Hauptgrund der Klimaveränderungen sein.

Schon bevor Scott Morrison im Mai zum Premierminister gewählt wurde, stellte er öffentlich zur Schau, wem seine Loyalität gilt. 2017 betrat er, damals Finanzminister, mit einem Kohleklumpen in der Hand das Parlament in Canberra. "Das ist Kohle", erklärte er, "haben Sie keine Angst davor. Es wird Ihnen nicht schaden."

Seit fast drei Monaten erleben seine Landsleute nun am eigenen Leib, wie falsch er damit lag.