Montag, 11. Mai 2020

Bertrand Piccard: «Eine Krise ist ein Abenteuer, das man ablehnt»


Hörens- und sehenswert:
https://www.srf.ch/play/tv/sternstunde-philosophie/video/bertrand-piccard-eine-krise-ist-ein-abenteuer-das-man-ablehnt?id=8a6ad5cf-7342-40d7-91e2-b151d00ebf2b, 57 Min. 
Bei Zeitmangel kann man ersatzweise die untenstehende Mitschrift der Minuten 38 bis 42 lesen)

"Sternstunde Philosphie" vom 10.5.2020, mit Barbara Bleisch (BB) und Bertrand Piccard
(Nachfolgend Mitschrift inkl. Unterstreichungen UH, Minuten 38 bis 42 der Sendung),

BB (Barbara Bleisch, SRF): (ab Min 38 der Sendung)... ein Schlüsselsatz bei Ihnen: Eine Krise, die
man annimmt, ist ein Abenteuer. Eine Krise, die man ablehnt, bleibt eine Krise. ... gilt das auch für die Coronakrise? ...
BP (Bertrand Piccard):  Unbedingt. Die heutige Coronakrise ist ein Abenteuer in dem Sinn, dass sie uns aus unserer gewohnten Welt herausbefördert und vor eine aussergewöhnliche Situation stellt. Wir haben die Wahl, das alles schrecklich zu finden und abzulehnen. Ein Leiden, das uns deprimiert, und die schreckliche Krise bewahrheitet sich. Oder wir sagen uns: Die Welt war vorher instabil. zerbrechlich, ungerecht, verschmutzt und gefährlich. Was für eine Welt wollen wir heute bauen? Damit wird aus dieser Krise etwas Ausserordentliches, ein schöpferisches Abenteuer. Eine andere Welt wird möglich. Man könnte die wirtschaftliche und finanzielle Hilfe für die Unternehmen unter gewissen Auflagen vergeben und so sicherstellen, dass der Wiederaufbau der Wirtschaft nachhaltig wird. Sauberer, effizienter, umweltfreundlicher. Eine Welt, in der alles läuft, ist schwierig zu verändern. Heute funktioniert nichts mehr. Das gibt uns die ausserordentliche Chance, eine Welt aufzubauen, die besser sein wird als die Welt vorher. Die Flughöhe zu ändern (und als Ballonfahrer den richtigen Wind zu finden - UH) bedeutet also, die Krise zu nutzen, um gestärkt aus ihr hervorzutreten, und nicht auf tieferer Stufe oder auf der gleichen Flughöhe wie vorher.
BB: Aber das Problem ist doch, wir sind nicht allein in dieser Krise. Es gibt ganz viele andere Menschen, wir sind nämlich eine Gesellschaft, in dieser Krise. Ist es manchmal nicht frustrierend für Sie, Sie möchten gerne jede Krise als Abenteuer sehen und die Sache verändern, aber ganz viele Menschen wollen das nicht, sie möchten gerne, dass die Sache weitergeht wie bis anhin?
BP: Nun, es gibt immer Leute, die sich gegen den Wandel stellen und sämtliche Chancen, die ihnen das Leben bietet, verpassen. Sie haben ein schlechtes Leben und fragen nach dem Warum. dann gibt es andere, die fragen: Was könnte ich aus dieser Sache machen, wie könnte ich sie nutzen? Ihr leben öffnet, entfaltet, verbessert sich. Genau so in der Gesellschaft. Es gibt politische Parteien, Unternehmen, die täglich ein intensives Lobbying betreiben, um zur Welt von früher zurückzukehren, fossile Brennstoffe als primäre Energiequelle beizubehalten, verschmutzende Autos auf die Strasse zurückzubringen, den Menschen schlecht isolierte Häuser mit veralteten Heizungen bereitzustellen. Diese Welt von früher ist eine Katastrophe. Ich mache genau das Umgekehrte. In der Stiftung "Solar Impulse" habe ich zwölf Unternehmensführer grosser Konzerne an einen Tisch gebraucht. Gemeinsam haben wir einen Artikel* verfasst, der in verschiedenen Medien publiziert wurde. Wir verlangen darin eine andere Welt, und sehr viel ehrgeizigere Klimaziele und strikte Umweltregeln seitens der Politik, damit die Krise zu etwas nütze ist, und die Welt, die wir heute vorbereiten gerechter, nachhaltiger und umweltfreundlicher sein wird. Mitgemacht haben unter anderem der CEO von Nestlé, keine kleine Firma,  ... Vitton, die Bank PNB Paribas, Air France ... sie alle haben sich verpflichtet, ihren Beitrag für umweltfreundichere Welt nach der Krise zu leisten. anders als vor 10 Jahren gibt es heute die Lösungen dafür. Weil sich das auch finanziell rechnet, muss man sie nutzen.
BB: Das ist ja auch eine Ihrer wichtigen Botschaften mit Solar Impulse, dass Sie gesagt haben, das wollen Sie zeigen. Es geht nicht darum, als Abenteurer der Mond zu erobern oder noch schneller zu fliegen oder ein Land zu entdecken, das noch niemand gesehen hat. Es geht jetzt darum, diese Welt zu retten und sie eben nachhaltig zu gestalten für die zukünftigen Generationen. Wenn wir über diese Botschaft sprechen, ist es ja wichtig, sich auch mal zu überlegen, wie kommt man eigentlich ans Ziel. Sie haben jetzt mehrere Male schon erwähnt, alleine Abenteurer zu sein ist das Eine, aber man braucht auch andere Menschen, man braucht ein Team, man braucht Freunde. Aber nicht immer sind die Sachen so einfach, es gibt natürlich auch Rivalitäten. (Minute 43) ....

*   https://solarimpulse.com/news/coronavirus-les-solutions-propres-et-rentables-sont-un-formidable-levier-pour-une-croissance-economique-qualitative-plutot-que-quantitative