Um was geht es? (Literaturhinweise am Ende)
Betrachten
wir zuerst die planetaren Grenzen:
Um das Ziel 1.5° Erwärmung zu erreichen, reicht es nicht, die heutigen
Emissionen bis 2050 auf Null zu begrenzen. Es benötigt zusätzlich eine
Rückbindung, eine Dekarbonisierung, um den CO2 Gehalt der globalen
Atmosphäre um ca. 100 ppm zu reduzieren. Das sind 400 Gt (Gigatonnen) CO2
oder über 100 Gt Kohlenstoff (3.67 t CO2
enthalten 1 t C). B131
Der CO2-Gehalt auf der Nordkugel nimmt vom April bis im
September ab, um dann wieder anzusteigen durch den Abbau von organischer Materie.
Nebst den Meeren bindet auch die Erdkruste unseres Planeten viel Kohlenstoff. Etwa 3
– 4 Mal mehr als unsere Atmosphäre. Feuchtgebiete und Moore speichern am meisten Kohlenstoff, dann folgen die Oekosysteme Grasland und Weide, dann Wald, später Wüsten und Halbwüsten sowie Ackerland.A40Grasland ist also wichtig mit seinem meterlangen Wurzelreichtum. Aufforstungen können sinnvoll sein, aber Wald, der ausgewachsen ist, bindet nur noch wenig CO2; stirbt ein Baum, so wird er durch Klein- und Mikroorganismen zersetzt, welche den Kohlenstoff in CO2 umsetzen.
Durch die
heutige Landwirtschaft und Agroindustrie verliert die Landmasse heute viel
Kohlenstoff und Wasser zugleich.
Welche Möglichkeiten
gibt es, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen?
Durch
technische Lösungen wie Climwork (ETHZ) in Island. Bis 2025 soll dort 0.3 Gt CO2
für CHF 150 Mio im Erdreich gespeichert werden. Dies mit grossem Material- und
Energieaufwand, zudem unsicher und nicht überall praktizierbar.B
Durch Rekarbonisierung statt Dekarbonisierung des Bodens:
Die heutige Landwirtschaft oder Agroindustrie agiert oft wie folgt:
Nackte Böden und tiefes Pflügen fördert den Abbau organischer Substanz,
Kohlenstoff oxydiert zu CO2. Stickstoffhaltiger Kunstdünger setzt CO2
frei bei seiner Produktion und Anwendung und schädigt das Bodenlebewesen.
Methan entsteht vor allem bei der Nassreisproduktion und der agroindustriellen
Rinderaufzucht. Wiederkäuer sind grundsätzlich Gras- und nicht Körnerfresser. Weidende
Wiederkäuer erhöhen den Humusgehalt von Weiden durch Dung und ihre Tretarbeit,
so dass artgerechte Beweidung als klimafreundlich bezeichnet werden kann.
In der
Ökoregion Kaindorf (Steiermark) erhält der Landwirt 30 Euro pro Tonne in den
Mutterboden zurückgebundenem CO2, 15 Euro gehen an die Beratung.B
Ein fruchtbarer
Mutterboden ist ein belebter Boden. Die oberste Schicht, der Mutterboden,
enthält möglichst viel Humus. Seine Farbe zeigt den möglichen Humusanteil an, je
dunkler, desto reicher. Humus entsteht durch Bodenorganismen wie Würmer,
Asseln, Bakterien und Pilze, die organische Materie wie gefallene Blätter, Wurzeln,
Ernte- oder Gartenabfälle zu Humus verarbeiten und Krümmel aus Ton Schluf oder
Sand als Hülle überziehen. Werden Krümmel zerquetscht, so verklumpt der Boden.
Der Humus ist als Nährstoff- und Mineralienlieferant für den Pflanzenwachstum
von zentraler Bedeutung. Er füttert die Bodenorganismen. A133
Heutiger Ackerboden kann sehr wenig Humus enthalten und kann von schweren
Geräten zerdrückt sein. Kunstdünger wie Stickstoff und Phosphor überbrückt den
Mangel an Nährstoffen, schaden aber dem Boden langfristig und erzeugt gewaltige
Mengen an Klimagasen bei deren Erzeugung. Der Ackerboden verliert beim Pflügen
seinen Zusammenhalt. Ist er zeitweilig ohne Bewuchs oder Mulch, so verliert er pro
Jahr ca. 1 cm durch Erosion von Wind und Regen. Darum die braunen Bäche nach jedem
Gewitterregen.
Möglichkeiten der Landwirtschaft
Mit Biochar
oder Terra Preta (schwarze Erde) wird Kohlenstoff in der Erde eingelagert. Dazu
wird In einer Pyrolyseanlage Pflanzenkohle hergestellt. Eine Kleinanlage
produziert z.B. täglich 1 t, also jährlich etwa 350 t. Wird diese dem
Mitterboden beigemischt, wird etwa 900 t CO2 der Atmosphäre langfristig
entzogen. Im Pyrolyseprozess fällt ca. 100 kW Wärmeleistung an, welche genutzt
werden kann. Leider ist
Biochar heute noch ohne grossflächige Verbreitung.A147
Vorgeschlagen
ist ein Gesundschrumpfen der Agroindustrie, Permakultur ist angesagt, insbesondere
für den Gemüseanbau mit kleinen Feldern, mit Mischkulturen, umrahmt von Hecken
und Bäumen. ‘No till’, also pfluglos, mit Direktsaat, Bodenbedecker, ohne Gift
und Kunstdünger und ohne grosse Maschinen. So lassen sich viel höhere Erträge
pro Fläche erzielen. Vorteilhaft ist der Einbezug von Nutztieren wie Schweine
und Hühner.
Die FAO
schätzt das weltweite jährliche Speicherpotential von Kohlenstoff auf 3 Gt,
andere Institutionen auf 16 bis 23 Gt. A69
Die
weltweite Initiative ‘4p1000’ will jährlich den C-Gehalt im Boden um 4 Promille
erhöhen, was nahezu den CO2 Eintrag in die Atmosphäre von heute
entspricht. D
Nicht
zielführend ist die «New Alliance for a Green Revolution» (AGRA), initialisiert
und finanziert von Bill Gates.
Wasser
Nicht zu
vergessen ist der Wasserkreislauf oder die Blutbahn des Lebens. Je versiegelter
der Boden ist und je vertrockneter, desto weniger kann Regenwasser vom Boden
aufgenommen und gespeichert werden. Es fliesst ab in die Kanalisation, in Bäche
und Flüsse und dann ins Meer und steht für das Leben und das pflanzliche
Wachstum und das Grundwasser nicht mehr zur Verfügung. Man spricht von einer
schleichenden Entwässerung der Landmasse. Diese trägt auch zum Meeresanstieg
bei.
Regennasser Boden, sowie alle Pflanzen verdunsten je nach Witterung grosse
Mengen Wasser, z.B. Bäume bis zu 400 l pro Tag. Dies entspricht einer enormen
lokalen Kühlleistung, die wir nutzen können. B
Literaturhinweise
A «Die
Humusrevolution» oekom-Verlag von Ute Scheub und Stefan Schwarzer (sehr inhaltsreich,
mit Liste von Empfehlungen 230 Seiten, 40.-)
B «CO2:
Fünf Minuten nach Zwölf, wie wir den Klimakollaps verhindern können» von Boris Previsic, Professur
Kulturwissenschaften Uni Luzern
C www.Ithanka-institut.org internationales
Netzwerk für Klimafarming
D www.4p1000.org internationale Iniative für eine
regenerative Landwirtschaft mit Kohlenstoff-Eintrag, Sitz in Montpellier (F)
24.07.2023
Lorenz Perincioli