Montag, 24. Juli 2023

CO2 in der Muttererde speichern


 Um was geht es?                                                                          (Literaturhinweise am Ende)

Betrachten wir zuerst die planetaren Grenzen:
Um das Ziel 1.5° Erwärmung zu erreichen, reicht es nicht, die heutigen Emissionen bis 2050 auf Null zu begrenzen. Es benötigt zusätzlich eine Rückbindung, eine Dekarbonisierung, um den CO2 Gehalt der globalen Atmosphäre um ca. 100 ppm zu reduzieren. Das sind 400 Gt (Gigatonnen) CO2 oder über 100 Gt  Kohlenstoff (3.67 t CO2 enthalten 1 t C). B131
Der CO2-Gehalt auf der Nordkugel nimmt vom April bis im September ab, um dann wieder anzusteigen durch den Abbau von organischer Materie.

Nebst den Meeren bindet auch die Erdkruste unseres Planeten viel Kohlenstoff. Etwa 3

– 4 Mal mehr als unsere Atmosphäre. Feuchtgebiete und Moore speichern am meisten Kohlenstoff, dann folgen die Oekosysteme Grasland und Weide, dann Wald, später Wüsten und Halbwüsten sowie Ackerland.A40
Grasland ist also wichtig mit seinem meterlangen Wurzelreichtum. Aufforstungen können sinnvoll sein, aber Wald, der ausgewachsen ist, bindet nur noch wenig CO2; stirbt ein Baum, so wird er durch Klein- und Mikroorganismen zersetzt, welche den Kohlenstoff in CO2 umsetzen.  

Durch die heutige Landwirtschaft und Agroindustrie verliert die Landmasse heute viel Kohlenstoff und Wasser zugleich.

Welche Möglichkeiten gibt es, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen?

Durch technische Lösungen wie Climwork (ETHZ) in Island. Bis 2025 soll dort 0.3 Gt CO2 für CHF 150 Mio im Erdreich gespeichert werden. Dies mit grossem Material- und Energieaufwand, zudem unsicher und nicht überall praktizierbar.B

Durch Rekarbonisierung statt Dekarbonisierung des Bodens:
Die heutige Landwirtschaft oder Agroindustrie agiert oft wie folgt:
Nackte Böden und tiefes Pflügen fördert den Abbau organischer Substanz, Kohlenstoff oxydiert zu CO2. Stickstoffhaltiger Kunstdünger setzt CO2 frei bei seiner Produktion und Anwendung und schädigt das Bodenlebewesen.
Methan entsteht vor allem bei der Nassreisproduktion und der agroindustriellen Rinderaufzucht. Wiederkäuer sind grundsätzlich Gras- und nicht Körnerfresser. Weidende Wiederkäuer erhöhen den Humusgehalt von Weiden durch Dung und ihre Tretarbeit, so dass artgerechte Beweidung als klimafreundlich bezeichnet werden kann.

In der Ökoregion Kaindorf (Steiermark) erhält der Landwirt 30 Euro pro Tonne in den Mutterboden zurückgebundenem CO2, 15 Euro gehen an die Beratung.B

Ein fruchtbarer Mutterboden ist ein belebter Boden. Die oberste Schicht, der Mutterboden, enthält möglichst viel Humus. Seine Farbe zeigt den möglichen Humusanteil an, je dunkler, desto reicher. Humus entsteht durch Bodenorganismen wie Würmer, Asseln, Bakterien und Pilze, die organische Materie wie gefallene Blätter, Wurzeln, Ernte- oder Gartenabfälle zu Humus verarbeiten und Krümmel aus Ton Schluf oder Sand als Hülle überziehen. Werden Krümmel zerquetscht, so verklumpt der Boden. Der Humus ist als Nährstoff- und Mineralienlieferant für den Pflanzenwachstum von zentraler Bedeutung. Er füttert die Bodenorganismen. A133

Heutiger Ackerboden kann sehr wenig Humus enthalten und kann von schweren Geräten zerdrückt sein. Kunstdünger wie Stickstoff und Phosphor überbrückt den Mangel an Nährstoffen, schaden aber dem Boden langfristig und erzeugt gewaltige Mengen an Klimagasen bei deren Erzeugung. Der Ackerboden verliert beim Pflügen seinen Zusammenhalt. Ist er zeitweilig ohne Bewuchs oder Mulch, so verliert er pro Jahr ca. 1 cm durch Erosion von Wind und Regen. Darum die braunen Bäche nach jedem Gewitterregen.


Möglichkeiten der Landwirtschaft

Mit Biochar oder Terra Preta (schwarze Erde) wird Kohlenstoff in der Erde eingelagert. Dazu wird In einer Pyrolyseanlage Pflanzenkohle hergestellt. Eine Kleinanlage produziert z.B. täglich 1 t, also jährlich etwa 350 t. Wird diese dem Mitterboden beigemischt, wird etwa 900 t CO2 der Atmosphäre langfristig entzogen. Im Pyrolyseprozess fällt ca. 100 kW Wärmeleistung an, welche genutzt werden kann.  Leider ist Biochar heute noch ohne grossflächige Verbreitung.A147

Vorgeschlagen ist ein Gesundschrumpfen der Agroindustrie, Permakultur ist angesagt, insbesondere für den Gemüseanbau mit kleinen Feldern, mit Mischkulturen, umrahmt von Hecken und Bäumen. ‘No till’, also pfluglos, mit Direktsaat, Bodenbedecker, ohne Gift und Kunstdünger und ohne grosse Maschinen. So lassen sich viel höhere Erträge pro Fläche erzielen. Vorteilhaft ist der Einbezug von Nutztieren wie Schweine und Hühner.

Die FAO schätzt das weltweite jährliche Speicherpotential von Kohlenstoff auf 3 Gt, andere Institutionen auf 16 bis 23 Gt. A69

Die weltweite Initiative ‘4p1000’ will jährlich den C-Gehalt im Boden um 4 Promille erhöhen, was nahezu den CO2 Eintrag in die Atmosphäre von heute entspricht. D

Nicht zielführend ist die «New Alliance for a Green Revolution» (AGRA), initialisiert und finanziert von Bill Gates.

 

Wasser

Nicht zu vergessen ist der Wasserkreislauf oder die Blutbahn des Lebens. Je versiegelter der Boden ist und je vertrockneter, desto weniger kann Regenwasser vom Boden aufgenommen und gespeichert werden. Es fliesst ab in die Kanalisation, in Bäche und Flüsse und dann ins Meer und steht für das Leben und das pflanzliche Wachstum und das Grundwasser nicht mehr zur Verfügung. Man spricht von einer schleichenden Entwässerung der Landmasse. Diese trägt auch zum Meeresanstieg bei.
Regennasser Boden, sowie alle Pflanzen verdunsten je nach Witterung grosse Mengen Wasser, z.B. Bäume bis zu 400 l pro Tag. Dies entspricht einer enormen lokalen Kühlleistung, die wir nutzen können. B

 

Literaturhinweise

A       «Die Humusrevolution» oekom-Verlag von Ute Scheub und Stefan Schwarzer (sehr inhaltsreich, mit Liste von Empfehlungen 230 Seiten, 40.-)

B      «CO2: Fünf Minuten nach Zwölf, wie wir den Klimakollaps verhindern können»  von Boris Previsic, Professur Kulturwissenschaften Uni Luzern

C       www.Ithanka-institut.org  internationales Netzwerk für Klimafarming

D       www.4p1000.org internationale Iniative für eine regenerative Landwirtschaft mit Kohlenstoff-Eintrag, Sitz in Montpellier (F)

 

 

 

24.07.2023                                                                                        Lorenz Perincioli