Nach den üblichen Traktanden der GV mit grossmehrheitlicher Absegnung aller Geschäfte und den Berichten aus den Regionalgruppen kam mit dem Budgetvorschlag für die Periode 2021/22 mehr Leben in die Diskussion. Es ging um das Projekt L’alimentation, clef pour une transition / Nachhaltige Ernährung, ein Schlüssel zum Wandel. GPclimat in Lausanne war mit einem ausgearbeiteten Projekt für die Ausbildung von Ernährungs-berater*innen und Sensibilisierung der Bevölkerung im rechten Moment bei einem betuchten Sponsor zugegen, der Stiftung Leenaerts, der schon mal CHF 45`000.- zusprach, sodass das Projekt im Raum Lausanne und Genf gestartet werden konnte (Anna Perret, Alizé de la Harpe). Im Jahr
2022 ist die Ausweitung auf die Romandie und 2023 auf die ganze Schweiz vorgesehen, mit einem Budget von total CHF 266`000.- über die 3 Jahre und einer Ausbildung von 580 Promotoren! Die GV segnete das Projekt mit seiner gesicherten Finanzierung dankbar ab, trotz eines Negativsaldos von 8000.- bei einem Gesamtvolumen von 32`000.- für die gpclimat.ch. Finanzielle Hilfen an die Regionalgruppen sind aber wie bisher möglich.
Der zweite Schwerpunkt der GV bestand in einem Vortrag von Luc Recordon über
zivilen Ungehorsam (z.U.) als extreme Form des gewaltlosen Widerstandes. Nach
einem historischen Rückblick von der Antike (Antigone von Sophokles) über
Jesus, Major Davel, Tolstoi, Gandhi, Romain Rolland, Martin Luther King und
Mandela (der erst im Gefängnis vom gewalttätigen zum gewaltlosen Widerstand
kam) berichtete er über eigene Erfahrungen im Zusammenhang mit der Besetzung
der CS, der Belegung von 2 Brücken , alles in Lausanne, und der Besetzung und
Räumung eines Hügels im nördlichen Kanton Waadt, der von Lafarge-Holcim zu
Zementgewinnung gekauft worden war. Er kam dabei auf die Theoretiker und
Buchautoren des z. U. zu reden, deren Prominenteste Hannah Arendt ist. Diese
sieht den z. U. durchaus als Gegenpol zu einer dem Wandel unterworfenen
Gesetz-gebung mit wechselseitiger Beeinflussung. Charakteristisch für den z. U.
ist die Überlegtheit, das Getragensein durch eine Gemeinschaft, das allgemeine
Interesse zugunsten der Gesell-schaft, die Gewaltlosigkeit, höchstens marginale
materielle Schäden und die Verhältnis-mässigkeit zwischen Notlage und Aktion.
Die Jahresversammlung stimmte denn auch einer entsprechenden Erklärung zu, die
schon 2019 von den Romands in Martigny abgesegnet worden ist. Wichtig für uns
ist, dass sich die Klimagrosseltern als Privatpersonen an solchen Aktionen
beteiligen können (mit Button), aber der Verein neutral bleiben muss und
höchstens vom Rand her (mit Transparent) als Sympathisant und nicht mitagierend
zugegen sein soll.
Nach der Mittagpause fanden 2 Vorträge mit Diskussion statt. Zuerst sprach der
Ingenieur und Begründer von “Swiss Hydrogen“ Alexandre Closset über die weit
gediehene Technik der Energieproduktion durch Wasserstoff mittels solargespiesener
Elektrolyse und der Stromproduktion mit Brennstoffzellen, die nichts Anderes
sind als eine kontrollierte Resynthese von Wasser mit Energieentwicklung.
Nachdem sich die europäischen LKW-Hersteller nicht für diese Technologie
erwärmen konnten, ist die chinesische Hyundai-Gruppe eingestiegen und betreibt
bei den Firmen Amazon, DPD, Coop, Migros u.a. eine Flotte von gegen 50 LKWs.
Die Fahrzeuge fahren zunächst mit Batteriestrom, speisen diese bei Leerwerden
mit dem Strom aus den Brennstoffelementen auf und tanken nach der Tagestour an
der firmeneigenen Wasserstofftankstelle. Vorteil dieser
Elektro-Wasserstoff-hybride sind: billiger Bau von Wasserstofftankstellen mit
Solarpanels auf den eigenen Lagerhallen, rasches Aufladen (3-5 min statt 20-180
min für Elektromobile), grössere Reichweite statt nur elektrisch, kein
CO2-Ausstoss. Der Nachteil ist der z.Z. noch etwas höhere Kilometer-Preis. Die
Technologie ist auch für PKW geeignet und sollte bald mit Benzin und Diesel
konkurrenzfähig sein. Der Eingang in den Schiffantrieb und sogar in die
Haustechnik stehe bevor.
Der zweite Vortrag des Biologen J. Gremaud untersuchte den Zusammenhang
zwischen Biodiversität und Klimawandel. Nach zahlreichen Bildern saftiger
Trockenwiesen, intakter Moore, Urwäldern, Tier- und Pflanzen und im Gegensatz
dazu von Monokulturen („Grünwüsten“) mit ärmlicher Fauna und
Flora kamen eindrückliche Zahlen: Vier von fünf Schweizer halten unsere Natur
für intakt. Tatsächlich sind in der Schweiz aber 70% der Insekten, 85% der
Süsswasserfauna und sogar 99% der Schmetterlinge dezimiert oder verschwunden.
Die Biodiversität ist aber nicht nur Opfer der Klimaerwärmung, ihre Verarmung
fördert auch den Klimawandel: geringere CO2-Absorption durch Torfabbau,
Austrocknung des Bodens durch Rodung. Biodiversität und Klima gehören zusammen.
Die Massnahmen zur Revitalisierung der Biotope sind möglich: Brachen,
Aufforstung, Renaturierung von Gewässern, Restwassermengen, Fallholz etc.
Die Erfolge sind aber weniger offensichtlich, als was der einzelne Haus- und
Gartenbesitzer tun und beobachten kann. Max. 4 Rasenschnitte im Jahr,
Dachbegrünung, Verzicht auf Dünge- und Unkraut-vertilgungsmittel bringen schon
in 2-3 Jahren eine Vielfalt von Tieren und Pflanzen zu uns zurück, sehr zum
Vergnügen der Insekten, Eidechsen, Igel – und unserer Kinder und Enkel!
Zusammenfassend kehrten wir abends mit einem Haufen neuer Einsichten und
Eindrücken heim, aber auch mit zahlreichen neuen Kontakten über den Röstigraben
hinweg. Die sprachlichen Schwierigkeiten (98% französisch) wurden dank
ausgezeichneter Simultan-übersetzung überwunden. Auch für Essen und Trinken war
zur Genüge gesorgt. Erwartungs-gemäss standen wir alle noch unter dem Schock
des CO2-Neins und konnten uns erst an die Bearbeitung dieser Tatsache in der
Arbeitsgruppe Politik der gpclimat.ch entscheiden.