Freitag, 25. Juni 2021

Bericht über die Jahresversammlung der Klimagrosseltern Schweiz vom 21. 6. 2021 in Fribourg

UH/ sehr lesenswerter Bericht von Jean Berner, Klima-Grosseltern Zentralschweiz: 

Nach den üblichen Traktanden der GV mit grossmehrheitlicher Absegnung aller Geschäfte und den Berichten aus den Regionalgruppen kam mit dem Budgetvorschlag für die Periode 2021/22 mehr Leben in die Diskussion. Es ging um das Projekt L’alimentation, clef pour une transition / Nachhaltige Ernährung, ein Schlüssel zum Wandel. GPclimat in Lausanne war mit einem ausgearbeiteten Projekt für die Ausbildung von Ernährungs-berater*innen und Sensibilisierung der Bevölkerung im rechten Moment bei einem betuchten Sponsor zugegen, der Stiftung Leenaerts, der schon mal CHF 45`000.- zusprach, sodass das Projekt im Raum Lausanne und Genf gestartet werden konnte (Anna Perret, Alizé de la Harpe). Im Jahr

2022 ist die Ausweitung auf die Romandie und 2023 auf die ganze Schweiz vorgesehen, mit einem Budget von total CHF 266`000.- über die 3 Jahre und einer Ausbildung von 580 Promotoren! Die GV segnete das Projekt mit seiner gesicherten Finanzierung dankbar ab, trotz eines Negativsaldos von 8000.- bei einem Gesamtvolumen von 32`000.- für die gpclimat.ch. Finanzielle Hilfen an die Regionalgruppen sind aber wie bisher möglich.

            Der zweite Schwerpunkt der GV bestand in einem Vortrag von Luc Recordon über zivilen Ungehorsam (z.U.) als extreme Form des gewaltlosen Widerstandes. Nach einem historischen Rückblick von der Antike (Antigone von Sophokles) über Jesus, Major Davel, Tolstoi, Gandhi, Romain Rolland, Martin Luther King und Mandela (der erst im Gefängnis vom gewalttätigen zum gewaltlosen Widerstand kam) berichtete er über eigene Erfahrungen im Zusammenhang mit der Besetzung der CS, der Belegung von 2 Brücken , alles in Lausanne, und der Besetzung und Räumung eines Hügels im nördlichen Kanton Waadt, der von Lafarge-Holcim zu Zementgewinnung gekauft worden war. Er kam dabei auf die Theoretiker und Buchautoren des z. U. zu reden, deren Prominenteste Hannah Arendt ist. Diese sieht den z. U. durchaus als Gegenpol zu einer dem Wandel unterworfenen Gesetz-gebung mit wechselseitiger Beeinflussung. Charakteristisch für den z. U. ist die Überlegtheit, das Getragensein durch eine Gemeinschaft, das allgemeine Interesse zugunsten der Gesell-schaft, die Gewaltlosigkeit, höchstens marginale materielle Schäden und die Verhältnis-mässigkeit zwischen Notlage und Aktion. Die Jahresversammlung stimmte denn auch einer entsprechenden Erklärung zu, die schon 2019 von den Romands in Martigny abgesegnet worden ist. Wichtig für uns ist, dass sich die Klimagrosseltern als Privatpersonen an solchen Aktionen beteiligen können (mit Button), aber der Verein neutral bleiben muss und höchstens vom Rand her (mit Transparent) als Sympathisant und nicht mitagierend zugegen sein soll.

            Nach der Mittagpause fanden 2 Vorträge mit Diskussion statt. Zuerst sprach der Ingenieur und Begründer von “Swiss Hydrogen“ Alexandre Closset über die weit gediehene Technik der Energieproduktion durch Wasserstoff mittels solargespiesener Elektrolyse und der Stromproduktion mit Brennstoffzellen, die nichts Anderes sind als eine kontrollierte Resynthese von Wasser mit Energieentwicklung. Nachdem sich die europäischen LKW-Hersteller nicht für diese Technologie erwärmen konnten, ist die chinesische Hyundai-Gruppe eingestiegen und betreibt bei den Firmen Amazon, DPD, Coop, Migros u.a. eine Flotte von gegen 50 LKWs. Die Fahrzeuge fahren zunächst mit Batteriestrom, speisen diese bei Leerwerden mit dem Strom aus den Brennstoffelementen auf und tanken nach der Tagestour an der firmeneigenen Wasserstofftankstelle. Vorteil dieser Elektro-Wasserstoff-hybride sind: billiger Bau von Wasserstofftankstellen mit Solarpanels auf den eigenen Lagerhallen, rasches Aufladen (3-5 min statt 20-180 min für Elektromobile), grössere Reichweite statt nur elektrisch, kein CO2-Ausstoss. Der Nachteil ist der z.Z. noch etwas höhere Kilometer-Preis. Die Technologie ist auch für PKW geeignet und sollte bald mit Benzin und Diesel konkurrenzfähig sein. Der Eingang in den Schiffantrieb und sogar in die Haustechnik stehe bevor.

            Der zweite Vortrag des Biologen J. Gremaud untersuchte den Zusammenhang zwischen Biodiversität und Klimawandel. Nach zahlreichen Bildern saftiger Trockenwiesen, intakter Moore, Urwäldern, Tier- und Pflanzen und im Gegensatz dazu von Monokulturen  („Grünwüsten“)   mit ärmlicher Fauna und Flora kamen eindrückliche Zahlen: Vier von fünf Schweizer halten unsere Natur für intakt. Tatsächlich sind in der Schweiz aber 70% der Insekten, 85% der Süsswasserfauna und sogar 99% der Schmetterlinge dezimiert oder verschwunden. Die Biodiversität ist aber nicht nur Opfer der Klimaerwärmung, ihre Verarmung fördert auch den Klimawandel: geringere CO2-Absorption durch Torfabbau, Austrocknung des Bodens durch Rodung. Biodiversität und Klima gehören zusammen. 

            Die Massnahmen zur Revitalisierung der Biotope sind möglich: Brachen, Aufforstung, Renaturierung von Gewässern, Restwassermengen, Fallholz etc.  Die Erfolge sind aber weniger offensichtlich, als was der einzelne Haus- und Gartenbesitzer tun und beobachten kann. Max. 4 Rasenschnitte im Jahr, Dachbegrünung, Verzicht auf Dünge- und Unkraut-vertilgungsmittel bringen schon in 2-3 Jahren eine Vielfalt von Tieren und Pflanzen zu uns zurück, sehr zum Vergnügen der Insekten, Eidechsen, Igel – und unserer Kinder und Enkel! 

            Zusammenfassend kehrten wir abends mit einem Haufen neuer Einsichten und Eindrücken heim, aber auch mit zahlreichen neuen Kontakten über den Röstigraben hinweg. Die sprachlichen Schwierigkeiten (98% französisch) wurden dank ausgezeichneter Simultan-übersetzung überwunden. Auch für Essen und Trinken war zur Genüge gesorgt. Erwartungs-gemäss standen wir alle noch unter dem Schock des CO2-Neins und konnten uns erst an die Bearbeitung dieser Tatsache in der Arbeitsgruppe Politik der gpclimat.ch entscheiden.

 

                                                           Jean Berner, Klimagrosseltern