Mittwoch, 22. April 2020

AKW-Gefahren im Zeitalter der Klimakrise


Liebe Mit-Klimagrosseltern
Was meint Ihr zu dieser Idee (unten angehängt: eine besonders schlimme Zusatzgefahr, formuliert in meinem heutigen Mail an die Ärzte und Ärztinnen für Umweltschutz AefU) zu einer weiteren grossen AKW-Gefahr im Zeitalter der Klimakrise?
Liebe Grüsse, Ueli


UH/aus meinem Mail an Bernhard Aufdereggen, Präsident AefU
... vielen Dank an Dich und das AefU-Team für Eure Arbeit und für das hochinteressante Oekoskop 1/20 der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz AefU  zum Thema der Autopneus, http://www.aefu.ch/oekoskop/   (1/20 wird ja sicher bald aufgeschaltet).

Zusätzlich hat mich Dein Schreiben vom 31.3.2020 beschäftigt (Corona, kranke AKW-Mitarbeiter in F, GB, CH und AKW-Sicherheit; zögerliche, geheimniskrämerische Information und Reaktion der Aufsichtsbehörde ENSI).

Ich mache mir seit einiger Zeit Gedanken zu einem verwandten Thema: 
Rechtspopulisten wie SVP und Geistesverwandte preisen ja – zu Unrecht – die AKW als CO2-neutrales Wundermittel gegen die Klimakrise, soweit sie diese überhaupt zur Kenntnis nehmen.
AKW sind nun, wie wir wissen, ein grosses Problem und sicher nicht ein Teil der Lösung,  vgl. (um für einmal youtube zu zitieren), die ausgezeichneten Vorträge von Prof. Harald Lesch, von denen ich einige angeschaut habe.

Eine besonders schlimme Zusatzgefahr der AKW wurde m.W. bisher wenig diskutiert:

Ende 2018 waren weltweit 451 AKW in Betrieb, laufend kommen neue dazu. Andererseits demonstriert uns zur Zeit die BKW AG, wie aufwändig, heikel, teuer und langdauernd der Rückbau des AKW Mühleberg ist, wieviel hochqualifiziertes Personal es dazu braucht.
Während der Betriebszeit eines Teils der bestehenden und der künftigen AKW (Jahrzehnte) wird die Klimakrise laufend schlimmer werden.

Wenn die Weltgemeinschaft nicht sehr rasch wirksame Massnahmen ergreift, ist mit einer Klimaerhitzung von durchschnittlich 4°C  bis sogar 6°C zu rechnen. Es kommt zu Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren, zu Hunger, Durst, Flucht und Elend. Unzählige Menschen werden betroffen sein, nicht viele Millionen (wie heute), sondern Milliarden (3).
Viele werden fliehen, auf der verzweifelten Suche nach Wasser, Nahrung, Obdach, Überlebensmöglichkeiten für sich, für ihre Kinder, für ihre Gruppe. In höchster Not werden Einige wohl versuchen, sich mit Waffengewalt Zugang zu Wasser und Nahrung zu schaffen, um Ihr Leiden und das ihrer Kinder zu lindern. Und Waffen hat es ja viele auf der Welt, nicht zuletzt auf Schweizer Dachböden (!).

Gesellschaften werden auseinanderbrechen, Staaten werden ihre Funktion nicht mehr wahrnehmen können.
Neben allen anderen Problemen werden gut 500 AKW eine unermessliche Gefahr darstellen, und jeder zusätzliche Atommeiler erhöht die Gefahr. Vielerorts werden die Menschen, gerade auch die «Eliten», zögern, die AKW abzuschalten, weil sie ja auf Energie angewiesen sind. Sie werden die Elektrizität dringend für die Kühlung von Räumen und Nahrungsmitteln, für die Mobilität, für Wasserpumpen, ev. für die Nahrungsmittelproduktion brauchen.
Die Privilegierten werden versuchen, in klimatisierten Wohnungen oder Häusern auszuharren, vielleicht mit einem Elektrofahrzeug in der Garage. Besonders sie werden ihre Mittel einsetzen, um möglichst lange noch elektrischen Strom beziehen zu können.

Angesichts der geschilderten Probleme ist nicht auszuschliessen, dass AKW-OperateurInnen in solchen Situationen eines Tages vor Hunger, Durst - oder vor verzweifelten Migranten - flüchten müssen, geplant oder ganz plötzlich, je nach Situation. Dies könnte auch dann geschehen, wenn hungrige Menschen sich entschliessen, ein AKW zu stürmen, um vorhandene oder vermutete Lebensmittelreserven der AKW-Crew zu behändigen. Bewaffnete Konflikte sind gerade in solchen Situationen keineswegs auszuschliessen, vielleicht nicht überall, aber wohl in einigen der >500 AKW.

Sicher ist, dass in solchen Situationen ein sicheres AKW-Abschalten schwierig resp. total unmöglich wird, ganz zu Schweigen von einem professionellen AKW-Rückbau. Das ohnehin bestehende Risiko von AKW-Unfällen könnte massiv zunehmen, eine unverantwortbare Situation, eine weitere fürchterliche Zeitbombe, die wir unseren Kindern und Grosskindern hinterlassen würden!

Die Konsequenz ist, dass unsere alten Forderungen noch mehr Gewicht bekommen:
  • Umgehendes Abschalten der bestehenden AKW.
  • Keine neuen AKW.
  • Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. (Die Erneuerbaren wie Sonnen- und Windenergie bergen, auch im Fall von schlimmsten sozialen Unruhen, kein derartiges Gefahrenpotential. Die Explosion einer power-to-gaz-Anlage wäre schlimm, aber zeitlich und örtlich limitiert)
  • Weitere wirksame Massnahmen gegen die Klimakrise, lieber heute als morgen.

Was meinst Du dazu? Wäre das ein Thema, das die AefU weiterverfolgen, diskutieren und ggf. publik machen könnten. Ich wäre bereit, im Rahmen meiner Möglichkeiten mitzuwirken, bin aber nicht Fachexperte in diesem Bereich.

Literaturhinweis: Maya Lunde - Die Geschichte des Wassers. 
Zwar ein Roman, aber die naturwissenschaftliche Fakten der Klimakrise sind gut recherchiert und dargestellt. Der Roman zeigt anschaulich auf, wie es im Jahr 2040 in Europa aussehen könnte.