«Die Menschheit begeht mit der Zerstörung des Amazonas Selbstmord»
Von watson.ch
3 min
Interview
Der renommierte brasilianische
Biologe Antonio Donato Nobre erklärt, wieso der Amazonas wichtig ist für das
Weltklima.
bild: ap
Sandra Weiss, Sao José dos Campos / ch media
«Die Menschheit begeht mit der Zerstörung des Amazonas Selbstmord», sagt Professor Antonio Donato Nobre. Eigentlich ist der Wissenschafter eine ruhige Person. Aber dass die Politiker und die Menschheit seit 40 Jahren seine Warnungen in den Wind schlagen, bringt den Biologen auf die Palme. Seine Begeisterung für den Amazonas stammt von einer Studienreise als junger Agronom 1979.
14 Jahre lebte er in Manaos
und forschte am Amazonasinstitut. Nobre gilt als einer der wichtigsten
brasilianischen Amazonas-Spezialisten. Seine Theorie von den «Fliegenden Flüssen» und der Rolle des Amazonas für die Klimaregulierung hat weltweit Beachtung gefunden. Derzeit arbeitet der 1958 geborene Forscher am Institut für Weltraumforschungen in Sao José dos Campos, dem unter anderem das Satellliten-Monitoring-Programm am Amazonas untersteht.
brasilianischen Amazonas-Spezialisten. Seine Theorie von den «Fliegenden Flüssen» und der Rolle des Amazonas für die Klimaregulierung hat weltweit Beachtung gefunden. Derzeit arbeitet der 1958 geborene Forscher am Institut für Weltraumforschungen in Sao José dos Campos, dem unter anderem das Satellliten-Monitoring-Programm am Amazonas untersteht.
Warum ist
der Amazonas so wichtig für die Welt?
Antonio Donato Nobre: Wälder regulieren das Klima.
Sie sind ein entscheidender Faktor dafür, ob und wie viel es an bestimmten
Stellen der Welt regnet. Nehmen wir Australien und den Amazonas. Rund um
Australien gibt es viele Wolken, aber sie ziehen nicht übers Land, weil die
Winde vom Land aufs Meer blasen. Am Amazonas ist es genau umgekehrt. Und das
hat mit dem Wald zu tun. Er zieht die Feuchtigkeit aus dem Boden und
transportiert sie in die Atmosphäre. Bis zu 1000 Liter pro Baum am Tag. Das
sorgt für ein Luftdruckgefälle. Er funktioniert also wie eine biologische
Pumpe.
Sie sprechen
auch von fliegenden Flüssen. Was genau ist darunter zu verstehen?
Das ist ein Bild, das wir geprägt haben, um allen Menschen die unsichtbare
Reise der Feuchtigkeit zu veranschaulichen. Es sind Ströme von Wasserdampf in
der Atmosphäre, die sich ganz ähnlich wie Flüsse auf der Erde verhalten. Sie
transportieren viel Wasserdampf. Wasserdampf ist die Voraussetzung für Regen.
Fliegende Flüsse transportieren innerhalb der Atmosphäre Wasser von einem Ort
zum anderen.
Und wieso
sind sie am Amazonas so wichtig?
Die Winde wehen gewöhnlich auf der Nordhalbkugel Richtung Südosten und auf der
Südhalbkugel Richtung Nordwesten. Der Äquator ist die unsichtbare Grenze, wo
sie aufeinanderprallen und es viel Turbulenzen gibt. Am Amazonas aber gibt es
diese Grenze nicht, und Wind und Wolken ziehen den Anden entlang bis nach
Patagonien. Wir haben Wassertropfen vom Amazonas im Süden Südamerikas
gefunden.
Die Bilder
aus dem Amazonas sind apokalyptisch. Wie steht es denn um den Amazonas als
Klimamotor?
Rund 20 Prozent des Amazonas wurden bereits abgeholzt und 40 Prozent
beschädigt. Das ist grenzwertig, und der Klimamotor fängt bereits an zu
stottern. Alle fünf Jahre gibt es am Amazonas starke Dürreperioden, gefolgt von
extremen Niederschlägen. Wir entdecken manchmal nun schon Brände im unberührten
Urwald, die nicht vom Menschen gelegt wurden. Das ist ein Zeichen dafür, dass
das System ausser Kontrolle gerät, und zwar immer schneller. Wenn der Wald
fehlt, stoppt die Klimapumpe, mit der die Feuchtigkeit vom Ozean aufs Festland
transportiert wird.
Ein
Grossteil der Abholzung ist menschengemacht. Wir schaffen also eine Wüste?
Ja, das ist Selbstmord, aber nicht nur von Brasilien, sondern der ganzen Welt.
Um diesen Irrsinn aufzuhalten, müssten wir eigentlich einen Ausnahmezustand
verhängen. Doch Brasiliens Regierung ist in den Händen der Abholzer. Und auch
alles andere, was die Regierungen der Welt bislang unternehmen, ist völlig
unzureichend und heuchlerisch.
Was müsste
denn getan werden?
Wir brauchen massive Aufforstung. Das ist keine Utopie. Chinahat in den letzten 25 Jahren 800 000 Quadratkilometer wieder aufgeforstet. Das entspricht der Fläche, die in Brasilien in den letzten 40 Jahren abgeholzt wurde. Dafür aber müssen wir die Abholzlobby verjagen. Und das geht nur mit massiver Unterstützung der Bevölkerung, indem sie Umweltschutz einfordert und keine Abholzer mehr wählt. Und der Rest der Welt muss aufhören, Soja, Rindfleisch und Edelhölzer zu konsumieren.
Wir brauchen massive Aufforstung. Das ist keine Utopie. Chinahat in den letzten 25 Jahren 800 000 Quadratkilometer wieder aufgeforstet. Das entspricht der Fläche, die in Brasilien in den letzten 40 Jahren abgeholzt wurde. Dafür aber müssen wir die Abholzlobby verjagen. Und das geht nur mit massiver Unterstützung der Bevölkerung, indem sie Umweltschutz einfordert und keine Abholzer mehr wählt. Und der Rest der Welt muss aufhören, Soja, Rindfleisch und Edelhölzer zu konsumieren.