Montag, 5. August 2019

Klimawandel und nachhaltiges Bauen


Die Klimaerwärmung ist heute eine wissenschaftlich breit anerkannte Tatsache. Vor allem in urbanen Zentren sind die hohen Temperaturen und der zeitweilige Wassermangel beunruhigend, insbesondere wenn sich urbane Hitzeinseln bilden. Die UNO hat mit den 17 Zielen (SDGs) der Agenda 2030 aufgezeigt, wie global und lokal dem Klimawandel begegnet werden soll. Die Schweizer Bauwirtschaft kann mit wirkungsvollen Massnahmen einen wichtigen Beitrag leisten.
Heute leben in der Schweiz rund drei Viertel der Menschen in Kernstädten und deren Agglomerationen. Mit den Klimaveränderungen spüren die Bewohner/innen die heissen und trockenen Sommer mit über 30oC und die geringeren Niederschlagsmengen besonders stark, da Massiv- und Glasbauten sowie die versiegelten Verkehrsflächen die Sonneneinstrahlung stärker speichern als Grünräume. Zudem enthalten die Baumaterialien viel graue Energie aus fossilen Energieträgern, die für deren Herstellung aufgewendet werden musste und die Konzentration des Klima-Gases CO2 unterstützt haben. Die 17 SDGs formulieren Massnahmen, aus denen hier zwei herausgegriffen werden.
Bauen mit Kühleffekt
Das SDG 13.1 verlangt, «die Widerstandskraft [und] die Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren» seien zu stärken, um deren Auswirkungen zu mildern. Die folgenden Massnahmen sind sehr wirkungsvoll: die Wahl von Baustoffen mit wenig grauer Energie sowie Dach- oder Fassadenbegrünungen. Dadurch kann die Temperatur nicht nur an der Fassade, sondern auch in den Innenräumen um mehrere Grad gesenkt werden. Dieser Effekt wird vor allem durch die Evapotranspiration (Verdunstung) erreicht, wie das Hochhaus «Bosco verticale» in Mailand beweist. Zusätzlich verbessert die Speicherung von CO2 und die Produktion von Sauerstoff durch die Pflanzen die Luftqualität. Anstelle von teuren und Energie-fressenden Klimageräten kann der Kamineffekt genutzt werden, der ein hervorragendes Raumklima erzeugt,  wie es im 2018 erstellten Schulgebäude im landwirtschaftlichen Zentrum SG in Salez bewiesen wurde. Weitere kühlende Massnahmen können mit der Gebäude-Beschattung durch Laubbäume oder nur schon durch die Vermeidung von Bauriegeln an hügeligen Geländen erreicht werden. Begrünungen können aber nicht nur die Erwärmung einzelner Gebäude reduzieren, sondern auch den urbanen Hitzeinseleffekt mildern.
Erholungsräume und hohe Biodiversität
Das SDG 15.5 fordert, «Massnahmen [zu] ergreifen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume zu verringern [und] dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende zu setzen.» Die städtischen meist kleinteiligen Lebensräume können eine grosse Biodiversität entwickeln, wenn sie miteinander verbunden sind (Trittsteine, Korridore) und einen gewissen Strukturreichtum aufweisen. Füchse, Igel, Eidechsen und Mauersegler sowie seltene Ackerkräuter finden sich in Städten.
Stadtmenschen brauchen aber auch abwechslungsreiche grüne Erholungsräume. Die Farbe Grün beruhigt und jahreszeitlich bedingte immer neue farbige Akzente regen die Sinne an. Zudem können ätherische Öle die Immunkraft stärken und heilend wirken, wie der Lindenblütentee oder die Salicylsäure der Weide (Aspirin) beweisen.
Wissen und Handeln verbinden
Gesundes und nachhaltiges Bauen hat nicht nur mit einer intelligenten Materialwahl und einer höheren Energieeffizienz in der Gebäudetechnik zu tun, sondern auch mit vorausschauender Planung, die das Wohlbefinden der Menschen heute und in Zukunft fördert. Oft fehlt Planenden und Handwerker/innen aber das Wissen um die grossen Zusammenhänge des gesunden und nachhaltigen Bauens und die Kompetenz dieses Wissen in ihrem Fachbereich umzusetzen. Dazu bietet das Bildungszentrum Baubiologie einen aktualisierten Lehrgang an, der mit einer eidgenössisch anerkannten Berufsprüfung abgeschlossen werden kann (https://www.baubio.ch/bildung/lehrgang/, bildungszentrum@baubio.ch).
Dr. Thea Rauch-Schwegler