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Wir stellen das Konzept vor – und auch, warum es so viele Namen dafür gibt. | | Ausserdem geht es heute um die Zukunft von Alpentälern im Klimawandel, Regengüsse bei immer wärmerer Luft und generell um die Lehren aus den Unwettern in der Schweiz. | | Alle reden von dem Konzept der Schwammstadt, welches Städte auf zu viel und zu wenig Wasser im Klimawandel vorbereiten soll. Hier sind gute Beispiele | | Die Stadt Kopenhagen lebte schon immer mit dem Wasser. | Francis Josph Dean / Imago | | Kopenhagen scheint irgendwie alles immer vor den anderen richtig zu machen. Viele Radwege, tolerante Menschen, Platz für Wasser. CNN hat Kopenhagen vor wenigen Jahren als «die beste Stadt zum Schwimmen» erkoren – noch vor Zürich. | | Ausserdem ist die dänische Hauptstadt eine sogenannte Schwammstadt. Kopenhagens besonderer Umgang mit Wasser ist nicht nur auf die Nähe zum Meer zurückzuführen, sondern auch auf ein Unglück vor dreizehn Jahren. Am 2. Juli 2011 fiel innerhalb von knapp zwei Stunden auf jeden Quadratmeter so viel Regen, dass man damit fast eine Badewanne hätte füllen können, 135 Liter. Kopenhagen wurde zu Venedig, der Schaden belief sich geschätzt auf mehr als 900 Millionen Euro. | | Weil wegen des Klimawandels vermehrt mit Starkniederschlägen zu rechnen ist, setzte Kopenhagen den «Wolkenbruchplan» um – die Stadt sollte zur Schwammstadt werden, zur «Sponge City», mit einem Boden, der saugfähig ist wie ein Schwamm: Regenwasser soll nicht in die schnell überforderte Kanalisation geleitet, sondern unterirdisch in Becken gesammelt und oberirdisch in grünen Oasen zurückgehalten werden. Regnet es stark, sollen aus Grünflächen Teiche werden, und in die vom Asphalt befreiten Böden soll Wasser versickern. Bei Hitze kühlt das zurückgehaltene Wasser die Stadt ab. | | Schwammstadt als umstrittener Begriff | | Schwammstadt: Auch Städte in der Schweiz und in Deutschland verwenden den Begriff. Unter Fachleuten ist er allerdings umstritten. Der Begriff sei in den vergangenen Jahren hauptsächlich von Ingenieuren geprägt worden, um dem Thema Hochwasserschutz ein nachhaltiges Image zu verleihen, sagt Simon Gehrmann, Architekt im Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung der Technischen Universität Darmstadt. Die Infrastruktur mit ein paar Zisternen zu ergänzen, reiche aber nicht, um unsere Städte zu retten. «Bei der ökologischen Stadtentwicklung geht es um mehr: um Raumqualität, um Biodiversität, um sozial und kulturell lebenswerte Quartiere.» | | Oppligers Kritik: «Ist das Wort ‹Stadt› im Namen, meinen viele Gemeinden, Quartiere und Privatleute, es betreffe sie nicht. Ausserdem ist der Begriff ‹Sponge City› sehr stark aus China geprägt, wo ganze Städte auf bisher unbebauten Flächen entstehen und das Regenwasser-Management von Grund auf geplant werden kann. Bei uns in der historisch gewachsenen Infrastruktur ist das nicht so einfach möglich, hier kommt es auf jedes noch so kleine Element an – sei es die Entsiegelung von Parkplätzen oder das Offenlegen von Bächen.» | | Das Wort wird inflationär gebraucht | | Simon Gehrmann sieht zudem die Gefahr, «dass der Begriff als Marketinginstrument missbraucht wird, um Projekte als umweltfreundlich zu präsentieren, die es in Wirklichkeit nicht sind». Die Öffentlichkeit verliere das Vertrauen in die umweltfreundliche Stadtplanung. «Ich erschrecke, wenn ich sehe, wie inflationär dieser Begriff gerade gebraucht wird.» | | Es gibt auch alternative Begriffe, zum Beispiel wassersensitive Stadt, blau-grüne Infrastruktur oder naturnahe Regenwasserbewirtschaftung. So einprägsam wie Schwammstadt sind diese Begriffe allerdings nicht. | | Unklar ist auch, was man unter einer Schwammstadt eigentlich versteht. «Bis vor kurzem», sagt Silvia Oppliger, «haben sich die meisten darunter vorgestellt, wie Regenwasser im Boden versickert, zurückgehalten wird, zu den Bäumen gelangt und wie diese durch die Verdunstung bei Hitze die Stadt abkühlen.» Kein Wunder, die treibende Kraft hinter den Schwammstadtprojekten waren meistens die Stadtgärtnereien. | | Oppliger hofft, dass nach diesem Sommerbeginn mit den vielen Überschwemmungen ein Weiterdenken stattfindet. Denn beim Begriff Schwammstadt geht es nicht nur um die Hitzeminderung und das Verhindern von Trockenheit, sondern auch um das Abfliessen des Wassers bei Starkregenfällen. | | Der Boden sollte viel Wasser aufnehmen können | | Die Dringlichkeit zum Handeln ist gross. Der Hydrologe Rolf Weingartner erklärte Anfang Juli in der NZZ, die Intensität von Starkregenfällen nehme zu. «Weil der Boden die grossen Wassermengen, die vom Himmel fallen, nicht aufnehmen kann, fliesst überproportional mehr an der Oberfläche ab.» | | Wir müssten nicht mehr nur in den klassischen Hochwasserschutz investieren, also die Hochwassergefahr eindämmen, sondern in den sogenannten risikobasierten Hochwasserschutz, sagt Weingartner. «In den letzten Jahrzehnten jedoch hat die Zahl der exponierten Gebäude und Infrastrukturen in den Gefahrengebieten enorm zugenommen. Der eigentliche Treiber des Risikos ist seither nicht mehr die Gefahr selbst, vielmehr sind es die exponierten Gebäude und deren Verletzlichkeit. Hier müssen wir mehr machen.» | | Olivia Romppainen-Martius, Co-Leiterin des Mobiliar Lab für Naturrisiken an der Universität Bern, sagte gegenüber SRF, dass 1,3 Millionen Gebäude in der Schweiz durch Oberflächenabfluss bedroht seien. Das ist mehr als jedes zweite Gebäude. | | Ob man sie nun Schwammstadt oder blau-grüne Infrastruktur nennt – gute Umsetzungen sind gefragt. Hier sind drei Beispiele: | | 1. Wasserdurchlässige Parkplätze in Luzern und Baumrigolen in Lausanne | | Im Rahmen der Entwässerungsplanung hat die Stadt Luzern festgestellt, dass die Kanalisation mit Starkregen überfordert ist. An der Bergstrasse wurden neben dem Erneuern der Kanalisation Parkplätze entsiegelt, damit das Regenwasser direkt im Boden versickern kann und die Kanalisation nicht zusätzlich belastet, und es wurden neue Bäume gepflanzt. Traubenkirschen vertragen sowohl sehr feuchte als auch sehr trockene Perioden. | | In Lausanne wurde an der Avenue de Montoie die Zahl der Parkplätze reduziert, um mit Bäumen bepflanzte Begegnungszonen zu schaffen. In der Lausanner Baumstrategie geht es sowohl um das Rückhalten des Wassers als auch darum, mit mehr Bäumen mehr Schatten und Kühle zu spenden. Die Bäume wurden in sogenannten Baumrigolen gepflanzt. | | In Lausanne wurden Bäume in Baumrigolen eingesetzt. | Approches | | «Baumrigole» ist ein weiterer Begriff, der erklärt werden muss: Früher wurden Stadtbäume meist in Betonschächte gesetzt, die dem Wurzelwerk sechs bis neun Kubikmeter Volumen zur Verfügung stellten. So wollte man verhindern, dass die Wurzeln den Strassenbelag heben und beschädigen. Doch wird der Wurzelraum eines Baumes auf diese Weise eingeengt, bleibt auch seine Krone klein. | | Bei Baumrigolen werden die Baumgruben zu einem grossen Teil mit groben mineralischen Elementen gefüllt, die durchlässig und stabil sind. Sie sind tragfähig für unversiegelte Parkplätze, Trottoirs oder auch Strassen. Der Zwischenraum der groben Steine wird mit organischem Material gefüllt, es hält das Wasser zurück und nährt den Baum, und seine Wurzeln können sich so ihren Weg bahnen. Das Wurzelwerk des Baumes erhält mehr Platz, so wird er grösser und älter und kann mehr Wasser aufnehmen und verdunsten. | | 2. Doppelte Wasserkreisläufe im Quartier Resource Mannheim | | Der natürliche Wasserkreislauf nimmt das Regenwasser auf und hält es zurück. Im technischen Kreislauf wird das in Duschen und Waschbecken benutzte Wasser aus den Haushalten gereinigt und anstelle von Trinkwasser für die WC-Spülung und die Waschmaschinen wiederverwendet. Der Überschuss wird in die Wasserflächen im Hof geleitet und für die Bewässerung der Anlage benutzt. | | 3. Die Öffnung des Albisrieder Dorfbachs in Zürich | | Früher waren die Zürcher Bäche in Röhren eingefasst – man sagt auch «eingedolt» dazu – und flossen in die Kläranlage, wo das saubere Bachwasser aufwendig gereinigt wurde. Seit den späten 1980er Jahren legte die Stadt Zürich insgesamt 15 Kilometer eingedolte Bäche offen, darunter auch 2,5 Kilometer des Albisrieder Dorfbachs. Er entspringt am Üetliberg, durchfliesst Siedlungsraum und Grünflächen und gehört zu den grösseren Zürcher Bachsystemen. | | Im Jahr 2013 feierte das Bachkonzept Renaturierter Dorfbach von Albisrieden das 25-Jahre-Jubiläum. | Adrian Baer / NZZ | | Seit der Offenlegung wird die Natur um den Bach bei starken Regenfällen teilweise überflutet und wird so manchmal über längere Zeit zum Feuchtgebiet. Gegen tausend Kubikmeter Wasser können hier zwischengespeichert und verzögert wieder an den Bach abgegeben werden. So werden Spitzen des Wasserabflusses gebrochen, und die Verdunstung kühlt die Umgebung. Die naturnah gestaltete Umgebung dient der Bevölkerung als Naherholungsgebiet und der Tier- und Pflanzenwelt als Lebensraum. | | Ein kontroverser Begriff, der haften bleibt | | Das Prinzip ist klar, die Dringlichkeit auch. Aber wie soll man die Schwammstadt denn nun nennen? «Ich versuche, den Begriff zumindest im Kontext unserer Projekte zu vermeiden, auch wenn ich mich langsam daran gewöhne, dass er wohl nicht mehr verschwinden wird», sagt Simon Gehrmann von der TU Darmstadt. | | Auch Silvia Oppliger von der Infoplattform Schwammstadt hat sich mit dem Begriff arrangiert: «Wir halten uns an die Wortwahl des Bundesamtes für Umwelt, das den Begriff ‹Schwammstadt› benutzt. Er ist kontrovers, lässt aufhorchen – vielleicht braucht es genau das.» | | Weitere Beispiele aus der Schweiz für das Konzept der Schwammstadt finden Sie auf dieser Website. | | Inhalte aus Sustainable Switzerland | | Eine Initiative des Unternehmens NZZ mit führenden Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft. | Weitere Highlights zum Klimawandel aus der NZZ | | «Wir können uns das leisten»: die Bündner Regierungsrätin Carmelia Maissen zu den wachsenden Investitionen zum Schutz vor Naturgefahren. | Philip Frowein | | - Alpentäler: «Wir werden sicher keine ganzen Täler aufgeben.» Die Präsidentin der Gebirgskantone, Carmelia Maissen, bezeichnet im Interview die Diskussion um das Räumen von Alpentälern als zynisch.
- Wassermassen: Die desaströsen Regenfälle in der Schweiz haben die Frage aufgeworfen, welchen Einfluss die Erderwärmung gehabt hat. Warme Luft speichere mehr Wasser, sagen Wissenschafter. Zum Artikel
- Naturgefahren: Die Schweiz erlebt einen Sommer der Extreme. Das Land ist ins Rutschen geraten – und mit ihm der Glaube an die Beherrschbarkeit der Natur. Das sollte uns eine Lehre sein. Zum Kommentar
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