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Das Land hat seine CO2-Bilanz in den letzten 20 Jahren stark verbessert, bleibt aber noch immer einer der grössten «Klimasünder» der Welt. Die Politik hat auf den weiteren Fortschritt nur beschränkt Einfluss. Auch Joe Biden, der amtierende Präsident der USA, hat dies mit seinen Entscheidungen nicht wesentlich ändern können. Ein Rückblick. | | Ausserdem geht es heute um nachhaltige Schokolade, Wetterprobleme mit italienischen Tomaten und um Klimamythen. | | Die US-Klimapolitik nach Biden: weniger verschmutzend, aber noch nicht am Ziel | Schon 2019, als er noch Präsidentschaftskandidat war, besuchte Joe Biden eine Solaranlage der Plymouth Area Renewable Energy Initiative in New Hampshire. | Brian Snyder / Reuters | | Wer den menschengemachten Klimawandel stoppen will, kommt an den USA nicht vorbei. Sie haben seit Beginn des Industriezeitalters am meisten Kohlendioxid aller Länder in die Atmosphäre geblasen. Zwar liegt das Land in absoluten Zahlen der Emissionen inzwischen auf Rang zwei hinter China, aber ein Amerikaner verursacht im Schnitt immer noch fast doppelt so viele Emissionen wie ein Chinese. | | Nicht mehr ganz so schlecht wie früher | Die gute Nachricht: Die USA haben ihren Ausstoss an Treibhausgasen in den vergangenen 15 Jahren deutlich verringern können; ihren Höhepunkt erreichten die Emissionen 2007, vor der grossen Finanzkrise. | | Die schlechte Nachricht: Die Amerikaner pusten noch immer viel zu viel Kohlendioxid in die Atmosphäre und müssten mehr tun, um das Land auf einen Pfad zu bringen, der mit den Klimazielen des Pariser Abkommens von 2015 vereinbar wäre. | | Ob die USA ihren Beitrag zu einer Netto-Null-Welt leisten werden, hängt langfristig stark von ökonomischen und technologischen Entwicklungen ab. Als Katalysator spielt die Politik aber eine wichtige Rolle. | | Die amerikanische Klimapolitik ist stark vom Zwei-Parteien-System des Landes geprägt. Viele Republikaner stehen staatlichen Klimaschutzmassnahmen skeptisch gegenüber, während die meisten Demokraten eine Reduktion der CO2-Emissionen zumindest als wichtiges Ziel erachten. Der Präsident oder die Präsidentin gibt die Klima-Agenda vor. Ohne Zustimmung aus Senat und Repräsentantenhaus haben grosse Würfe aus dem Weissen Haus aber keine Chance. | | Beatrice Tanjangco, die führende Klimaökonomin beim Beratungsunternehmen Oxford Economics, sagt, dass bei einem gespaltenen Kongress den Gliedstaaten und den Städten eine wichtige Rolle zukomme. «Sie können aggressivere Klimagesetze einführen und damit anderen Gliedstaaten als Vorbild dienen.» Man sehe das etwa an Staaten wie Kalifornien, die striktere Regeln eingeführt haben. | | Welchen Beitrag Biden geleistet hat | Die zentrale Klimamassnahme der Regierung Biden war die 2022 beschlossene Inflation Reduction Act (IRA). Das Gesetz sieht unter anderem 369 Milliarden Dollar für Subventionen und Steuererleichterungen vor, um einerseits die Nachfrage nach erneuerbarer Energie und den zugehörigen Schlüsseltechnologien und andererseits ihre Produktion in den USA zu fördern. Unterstützt werden etwa Batteriespeicher und die Solarindustrie, aber auch Wärmepumpen, Elektroautos sowie Wind- und Atomkraft. | | Was die IRA bisher gebracht hat, lässt sich schwer quantifizieren. Beatrice Tanjangco verweist auf die Schwierigkeit, sich vorzustellen, wie es ohne die IRA gelaufen wäre. Fortschritte würden sich zudem erst mit Verzögerung einstellen. «Das Gesetz soll einen industriellen Wandel hervorbringen, das braucht seine Zeit.» Es habe sich aber gezeigt, dass die produzierende Industrie in den USA von der IRA profitiert habe. | | Weil dank der IRA auch in republikanisch geprägten Regionen zahlreiche neue Jobs geschaffen wurden, ist die Chance gross, dass Donald Trump viele der neuen Subventionen weiterfliessen liesse. «Wir rechnen, basierend auf unseren Szenarien, nicht mehr mit einer vollständigen Rückabwicklung der Steuernachlässe, welche dem Energiesektor über die IRA gewährt wurden», sagt Tanjangco. | | Grüner Strom wird benötigt | Der wichtigste klimapolitische Hebel für die USA ist die Stromproduktion, weil grüne Elektrizität auch für die Dekarbonisierung anderer Anwendungen gebraucht wird. Hierbei haben die USA gemäss Daten der Energy Information Administration in den vergangenen 20 Jahren grosse Fortschritte erzielt. | | Gemäss Forschern der Universität Princeton und des Beratungsunternehmens Evolved Energy Research, die gemeinsam in der sogenannten Repeat-Studie den Fortschritt der USA bei der Reduktion von Klimagasen verfolgen, dürften die Emissionen des Stromsektors weiter stark abnehmen. Ohne neue Massnahmen sollen sie von 1700 Megatonnen Kohlendioxid pro Jahr auf 500 bis 600 Megatonnen fallen. | | Die Forscher plädieren aber dafür, die Elektrifizierung etwa des Transportwesens und der Gebäudetechnik zu forcieren. Der höhere Stromverbrauch führt dabei zu zusätzlichen Emissionen. Selbst wenn die Emissionen aus der Stromproduktion in diesem Szenario «nur» halbiert würden, wäre der Nettoeffekt aus Klimasicht positiv, weil insgesamt weniger Benzin und Erdgas verbrannt würden. | | Die bisherigen Fortschritte der USA sind darauf zurückzuführen, dass sie immer mehr sauberen Strom produzieren. Im Jahr 2001 stammten noch 51 Prozent der Elektrizität im Land aus Kohlekraftwerken, die enorm klimaschädlich sind. 2023 waren es nur noch 16 Prozent. Und es geht weiter steil abwärts: Jedes Jahr werden alte Kohlekraftwerke abgestellt, neue werden nicht gebaut. | | Kernenergie und Wasserkraft haben ihren Anteil gehalten, sie werden aber kaum mehr ausgebaut. Zusammen tragen sie knapp einen Viertel der in den USA produzierten Elektrizität bei. | | Ein Sechstel des Stroms stammt inzwischen von Solar- und Windkraftwerken. Letztere sind in zahlreichen Gliedstaaten des Mittleren Westens, wo es oft windig ist und es genug Platz für moderne grosse Windanlagen gibt, inzwischen die wichtigste Stromquelle. Weil die Produktion so günstig ist, hat sich die Windkraft auch in republikanisch dominierten Staaten wie Iowa, Kansas oder South Dakota durchgesetzt. | | Der Boom der Solarenergie hat dagegen als Erstes in Kalifornien eingesetzt, wo sie politisch gefördert wurde. Der Golden State erzeugt inzwischen 28 Prozent seines Stroms mit Solaranlagen. Mittlerweile spielt sie auch im Wüstenstaat Nevada und sogar im Nordosten von Massachusetts eine wichtige Rolle. | | Grosse Teile der USA sind für Solarenergie prädestiniert. Manche Gebiete in Arizona, Nevada oder Texas weisen eine Sonnenscheindauer von bis zu 4000 Stunden im Jahr auf, zwei- bis dreimal so viel wie in der Schweiz. Selbst in Boston scheint die Sonne öfter als in Rom oder Barcelona. Zudem wird vor allem im Süden der USA ein bedeutender Teil des Stroms zur Kühlung der Häuser verwendet – vor allem dann, wenn die Sonne scheint. Das verringert das Speicherproblem der Solarenergie und den Bedarf an teuren Back-up-Kraftwerken. | | Erdgas dient zur Überbrückung | Ein Grossteil der Kohlekraftwerke wurde durch Gaskraftwerke ersetzt. Sie produzierten 2023 rund 42 Prozent der Elektrizität in den USA. Dank Fracking-Technologie und anderen technischen Fortschritten waren zahlreiche neue Gasvorkommen erschlossen worden. Darum wurde mehr produziert, und die Preise sanken. | | Ein neu gebautes Gaskraftwerk im Crystal River Energy Complex von Duke Energy in Florida ist im Vordergrund zu sehen; im Hintergrund ein Kohlekraftwerk. | Dane Rhys / Reuters | | Die Klimawirkung der Gaskraftwerke hängt stark davon ab, welchen Energieträger sie ersetzen. Mit Erdgas produzierter Strom verursacht pro Kilowattstunde etwas weniger als halb so viel CO2, als wenn Kohle als Brennstoff genutzt würde. Somit half das billige Erdgas den USA bisher dabei, die Treibhausgasemissionen zu senken. | | Jetzt wird aber die Frage akut, ob die günstigen Gaskraftwerke auch die praktisch CO2-freie Kernkraft ersetzen. Das würde die Klimabilanz der USA wieder verschlechtern. Einige Atommeiler wurden bereits abgestellt, neue entstehen kaum noch. | | Die Macht der Politik ist beschränkt | Die Stromproduktion ist ein gutes Beispiel dafür, dass Washington in der Klimapolitik nicht alles steuern kann. Im Wahlkampf 2016 hatte Donald Trump den Kohlearbeitern versprochen, dass er ihre Jobs sichern und die Kohleförderung erhöhen werde. Und doch wurden während seiner Präsidentschaft Dutzende Kohlekraftwerke geschlossen, weil sie gegen die günstigeren Gas-, Wind- und Solarkraftwerke nicht mehr bestehen konnten. | | Einen kurzen Aufschwung erlebte die Kohle ausgerechnet unter dem demokratischen Präsidenten Joe Biden, weil der Ukraine-Krieg 2022 die Energiepreise weltweit nach oben trieb. | | Solar- und Windkraft werden vor allem wegen ihres Preisvorteils weiter ausgebaut, selbst in der Erdöl-Hochburg Texas. Ein Bremser des Ausbaus ist allerdings die limitierte Netzinfrastruktur: Vielerorts fehlen Übertragungsleitungen, die den unregelmässig anfallenden Strom im Land verteilen. Neue Hochspannungsleitungen zu bauen, dauert wegen Rekursen, aufwendiger Umweltstudien und umständlicher Verfahren sehr lange. Das hat sich auch unter Biden nicht wesentlich geändert. | | Elektroautos sind die neue Hoffnung | Viel Potenzial bietet die Dekarbonisierung des Verkehrs. Er ist in den USA für 28 Prozent des Treibhausgasausstosses verantwortlich, wenn man die Stromproduktion als eigenen Sektor betrachtet. | | Ein Grossteil davon ist dem privaten Autoverkehr zuzuschreiben. Die USA verfügen ausserhalb der Grossstädte nur über eine geringe Abdeckung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, daher sind viele Amerikaner aufs Auto angewiesen. Sie fahren im Schnitt längere Strecken als die Europäer und haben – auch dank den tiefen Spritpreisen – eine Vorliebe für schwere Benzinschlucker, die pro gefahrenen Kilometer im Schnitt deutlich mehr als 200 Gramm CO2 emittieren, ungefähr doppelt so viel wie die in Europa gefahrenen Autos. | | Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs geht nur langsam voran. Die Hoffnungen ruhen deshalb darauf, dass die Amerikaner auf Elektroautos umsteigen, die wiederum grünen Strom verwenden. Die IRA sollte diesen Wandel mit Fördermitteln beschleunigen. | | Tatsächlich sind Jahr für Jahr mehr E-Autos auf den Strassen der USA unterwegs. Sie machen jedoch erst rund 8 Prozent der Neuregistrierungen aus. Es wird weitere Fortschritte bei der Ladeinfrastruktur und tiefere Kaufpreise brauchen, um eine Mehrheit der Amerikaner vom Kauf eines E-Autos zu überzeugen. | | Etwas weniger im Fokus stehen die Heizung und die Kühlung von Wohn- und Bürogebäuden, die ebenfalls viel Energie verschlingen. Im kälteren Norden des Landes kommen oft Gasheizungen zum Einsatz, in Neuengland zudem Ölheizungen. Im Süden, wo die Heizperiode nur wenige Wochen oder Monate beträgt, sind Klimaanlagen und Wärmepumpen verbreiteter; allerdings sind auch ineffiziente Elektro-Widerstands-Heizungen noch zu finden. | | Klimafreundliche Wärmepumpen verbreiten sich, denn im Süden sparen die Hauseigentümer damit Geld. Im Norden setzen sie sich durch, weil sie inzwischen auch in sehr kalten Regionen effizient betrieben werden können – und weil von den Demokraten regierte Staaten wie New York oder Illinois den Wandel vorantreiben wollen. | | Der Umstieg geht aber nicht besonders schnell voran. Im kalten Norden wurde Hauseigentümern jahrelang gesagt, dass Wärmepumpen nicht unter dem Gefrierpunkt arbeiten könnten; viele sind daher skeptisch. Es fehlt zudem an ausgebildeten Installateuren. Die Entscheidung hängt auch vom Verhältnis zwischen Strom- und Gaspreis ab. Da Erdgas aus genannten Gründen sehr günstig ist, hemmt dies den Umstieg auf Wärmepumpen. | | Industrie und Landwirtschaft bereiten Probleme | Schwieriger wird es, die Emissionen der Industrie stark zu reduzieren. Viele Betriebe verbrennen Öl oder Gas, um Hitze zu erzeugen. Während Nahrungsmittel- und Papierhersteller diese Hitze in Zukunft auch aus Wärmepumpen (und somit aus grünem Strom) gewinnen könnten, benötigt etwa die Metallindustrie deutlich höhere Temperaturen. In der Herstellung von Plastik, Zement und Stahl finden fossile Brennstoffe zudem nicht nur als Wärmequelle, sondern im industriellen Prozess selbst Anwendung, und sie lassen sich nur sehr schwer ersetzen. | | Die IRA soll in diesen Branchen Technologien fördern, um das bei industriellen Prozessen entstehende Kohlendioxid aus der Luft abzuscheiden und einzulagern. Noch ist diese Art der CO2-Vermeidung aber sehr teuer, sie würde sich auf dem freien Markt kaum durchsetzen. | | Der letzte Problemfall ist die Landwirtschaft, die in den USA rund 10 Prozent aller Treibhausgasemissionen verursacht – vor allem in Form von Methan, vor allem aus der Viehhaltung. Wie in der Schweiz lassen sich diese Emissionen nur schwer verringern – sofern die Bürger nicht ihre Ernährung umstellen und weniger Fleisch essen. | | In den USA wird noch viel Rindfleisch verzehrt. Hier grasen Wagyu-Rinder einer Ranch in Oklahoma. | Nick Oxford / Reuters | | Besser ist nicht gut genug | Gemäss Repeat-Studie würden die USA ihr Emissionsziel, bis 2050 auf netto null zu gelangen, mit den gegenwärtigen Massnahmen noch immer deutlich verfehlen. Selbst wenn Solar- und Windkraft in den nächsten Jahren auch die beliebten Gaskraftwerke verdrängen sollten: Solange die Amerikaner ihre Vorliebe für Rindssteaks und benzinbetriebene SUV nicht einschränken, wird es nichts mit netto null. Und weder Kamala Harris noch Donald Trump werden es wagen, ihren Wählern das Fleisch vom Teller zu ziehen. | | Die Präsidentschaftswahlen werden dennoch einen Einfluss auf die weitere Erderwärmung haben. Das liegt auch an der kaum quantifizierbaren, aber wichtigen Vorbildwirkung der USA: Unterstützen sie den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel, sind auch andere Regierungen eher bereit, politisches Kapital für unpopuläre Massnahmen wie den Verzicht auf Subventionen für Benzin einzusetzen. | | Inhalte aus Sustainable Switzerland | | Eine Initiative des Unternehmens NZZ mit führenden Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft. | Weitere Highlights zum Klimawandel aus der NZZ | | Bis jetzt gehen bis zu 80 Prozent der Kakaoschoten verloren. Die Firma Koa will das ändern. | Legnan Koula / EPA | | - Schokolade: Ein zürcherisch-ghanaisches Unternehmen und die ETH Zürich entwickeln ein Verfahren, bei dem die ganze Kakaofrucht und nicht nur die Bohne genutzt wird. Zum Artikel
- Tomaten: Seit 125 Jahren stellt Mutti in Italien Tomatenkonserven her. Bei dem Traditionsunternehmen aus Parma ist derzeit Hochsaison. Doch Wetterextreme bereiten Europas Marktführer Sorgen. Zum Artikel
- Klimamythen: In der Öffentlichkeit geistern viele und steile Thesen zum Klimawandel herum. Schaut man genauer hin, liegen die Dinge oft völlig anders. Zum Artikel
| Highlights aus aller Welt | | - 🌍 Laut einem neuen Bericht der Weltmeteorologieorganisation (WMO) ist es für Afrika besonders kostspielig, sich an den Klimawandel anzupassen.
- 🏜️ In den Ländern südlich der Sahara werden die Kosten für die Anpassung an den Klimawandel im kommenden Jahrzehnt laut dem Bericht auf 30 bis 50 Milliarden Dollar geschätzt. Das entspricht 2 bis 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts in der Region.
- 💻 In Afrika müsse in Spitzentechnologien und -systeme investiert werden, um die Genauigkeit und die Vorlaufzeit von Wetter-, Klima- und Wasservorhersagen zu verbessern, heisst es im WMO-Bericht.
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